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Geschichte Böhmens von 1648 bis 1848.
Mit der Wiederkehr des Friedens waren in Böhmen die Folgen des langen Krieges
noch keineswegs beseitigt: aus tausend Wunden blutend lag das Land geistig und
materiell völlig darnieder. Aber der natürliche Reichthum Böhmens kam doch auch zur
Geltung. Wald und Wasser verhießen ihre Gaben und der ergiebige Ackerboden und das
Innere der Erde harrten nur der fleißigen Hände, um die Mühe reichlich zu lohnen.
Lage und Verbindungen des Landes begünstigten wie stets Handwerk und Handels-
thätigkeit. Nur mußten die verödeten Städte und Märkte sich erst mit Bevölkerung füllen,
mußte man die verbrannten und verlassenen Dörfer wieder bauen und weite, wüste Striche
aufs neue besiedeln. Und darauf verwendeten denn auch Kaiser Ferdinand III. und die
Grundobrigkeiten, geistlich und weltlich, ihre erste und vorzüglichste Sorgfalt.
Der Kaiser, der wie einzelne Getreue für geleistete Dienste, so besonders auch die
Stadt Prag für die heldenmüthige Vertheidigung gegen die Schweden im Jahre 1648 nach
Kräften belohnt hatte, bewilligte allen fremden Ansiedlern eine dreijährige Steuerfreiheit.
Um eine gerechte Vertheilung der Steuern zu erzielen, ordnete er eine „Beschreibung
der steuerfähigen Grundstücke" im Lande an. Strenge Maßregeln gegen das räuberische
Gesindel, das der Krieg in großer Zahl hinterlassen hatte, dazu Belohnungen für
Inhaftnahme oder Tödtung eines Räubers und später unter Kaiser Leopold das Aus
hauen der Wälder zu beiden Seiten der Straßen bis auf Pistolenschußweite sollten den
ruhigen Erwerb und Besitz und die Sicherheit des Verkehrs wiederbringen.
In der That gelang es zahlreiche fremde Colonisten, namentlich aus dem katholischen
Süden Deutschlands, dem Lande zuzuführen. Durch sie wurden die Wüstungen wieder
besiedelt und an geeigneten Stellen neue Dörfer gegründet; allmülig besetzten deutsche Bauern
weite öde Striche, besonders an der Sprachgrenze im Saazer, Rakonitzer und Leitmeritzer
Kreise, daun im Böhmerwalde; deutsche Inseln entstanden wieder im Innern Böhmens
und die Sprachgrenze selbst ward vielfach dauernd zu Gunsten der Deutschen verschoben.
Auch waren zum Vortheil des Landes die religiösen Streitigkeiten, seit Jahr
hunderten die Quelle steter Unruhen und Übelstünde, mit dem völligen Siege der katholischen
Kirche endlich beseitigt. Wohl hielten sich noch im Verborgenen etliche Lutheraner,
Calviner, böhmische Brüder und Anhänger anderer Secteu, ja es entstanden deren im
Laufe der Zeit noch neue; aber die katholische Kirche allein war geduldet und ihre Macht
umsomehr im Aufsteigen, als die ursprünglich nur äußerlich bekehrte Bevölkerung sich
bald ganz und voll dem alten Glauben zuwandte.
Mit Zustimmung des Erzbischofs Ern st AlbrechtGrafenHarrach, dessen Gew alt
nun im ganzen Lande galt, wurden in Ausführung eines Planes Kaiser Ferdinands II. die