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Volltext: Monatszeitschrift XXIV (1921 / Heft 5 und 6)

Krumauer Madonna hat das auch. Die Braunschweiger Zeichnungen gehen 
mit unseren Figuren aber vor allem in der Bildung dieser Tiefungen am 
engsten zusammen, nämlich darin, wie sich die nach der Ansatzstelle zu 
verengen, also Schlingen werden - es sind hauptsächlich die großen Hänge 
von Eins zu vergleichen - und dann in den Proportionen; die Schlinge gibt 
den Braunschweiger Zeichnungen überhaupt mit das Gepräge, und zwar 
durchgängig. - Das stärkste Formvorkommen und den Prager Arbeiten 
am nächsten finde ich beim ältesten König von der Nordvorhalle des Stephans- 
doms, ganz breit und groß, hypertroph, so, daß die Abkunft von einer Wirk- 
lichkeitsform wieder zurücktritt, in der sehr schönen Drapierung von bester 
Wirkung; die ganze Gruppe ist von Böhmen stark beeinflußt. 
Schlitzbildungen werden an den Prager Tumbentiguren nur vereinzelt 
vorkommen, an den Brückenturmtiguren sind sie stark genug, da spricht 
auch Stix davon: „Sehr charakteristisch . . . . eine schmale, tief ein- 
geschnittene Falte mit halbrundem Abschlusse." Das sitzt nicht nur an den 
Aufstößen, sondern auch an den eigentlichen Fronten der Draperien. Auch 
bei der Anbetung vom Stephansdom kommen Furchen nicht nur an den 
Aufstößen vor. - 
Im ersten Viertel des XV. Jahrhunderts werden dann alle diese Formen 
völlig typisch, man kommt ohne sie nicht mehr aus." 
Aber diese Formen bedeuten dann im Draperieganzen lange nicht mehr 
dasselbe. Es kommt auf die Behandlung von Motiven an, nicht nur darauf, 
daß sie da sind. Diese Formen sind ja auch schon im XIII. Jahrhundert da 
und kommen im XIV. unzähligemal vor. Sie sind, jede bis zu ihrem gewissen 
Grad, in der Wirklichkeit gegeben. Man muß nicht zu weit gehen in den 
Vorstellungen von der Aufsaugung der naturgegebenen Form durch die 
künstlerische Gestaltung; gerade im XIV. Jahrhundert nicht, welches neben 
der Umwertung der organischen Form ins Anorganische doch auch Arbeit 
an irgend einer Art von Modell gekannt hat. Jedoch im XIII. Jahrhundert 
saßen diese Formen in kleinerem Maßstab zum Draperieganzen und verloren 
sich mehr im Reichtum anderer Formen; im XIV. froren oder trockneten sie 
ein, bis zu einem gewissen Grade; wieder anders ging es ihnen im späteren 
XV. Um 1400 wußte man mit ihnen etwas Besonderes anzufangen. Das aber 
gibt zu denken - für eine andere Frage. __ 
Bei neuen Formen liegt der Gedanke nahe an Übertragung aus fremden 
Gegenden. Das ist anders, wenn in den Formen nur die Entfaltung aus schon 
vorhandenem Formenmaterial erkannt wird. Die Erforschung der deutschen 
Plastik wird sich aber immer mehr um das Zuriickgreifen, Wiederaufgreifen 
kümmern müssen. In diesen Fällen kommt fremde Anregung höchstens als 
Anregung zur Verwertung der älteren Formen in Betracht. Auch da wird 
man immer skeptischer werden. Die Meister von Bamberg haben nicht erst 
x Das gilt besonders für die Hang- oder Bauschkonsolen mit den tangentialen Tiefungen; aber auch für 
alles andere- sogar die Aufsroßformel von Eins und dem Karl IV. kommt vor, vgl. die Madonna aus Illertissen 
, 
im Stuttgarter Museum (Baumscher Katalog Nr. 36; Holz, um 1420).
	        
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