MAK

Volltext: Monatszeitschrift XXIV (1921 / Heft 5 und 6)

Erscheinungsbilder mit feinem Sonnenschimmer (wie die Ruine in Schönbrunn und sein 
Naschrnarktbild) bezeichnen diese empflndungsreiche, intime Anschauungsweise. 
Nach Schindlers Tod brachte ihn der Kontakt mit Gotthard Kühl zur stärkeren 
Farbigkeit der nordischen Interieurs. In den Kirchen und Dielen der Hansestädte, Lübeck, 
Danzig ging er den Lichtwirkungen nach, die aus den hohen Glasilächen in die farbensatten 
Raumbildungen strömte. Hier war reiches Detail, figurales Leben mit feiner Lichtfiihrung 
zusammenzuschließen. 
In der Heimat hatte er zukunftsreiche Pläne zu fördern. Der Gruppe von Architekten 
und Malern, die dem Gesamtkunstwerk der Raumgestaltung unter der Fahne Klimts ihre 
Kräfte weihten, war er ein tieffuhlender und energisch handelnder Führer voll Begeisterung 
und Opferfatiigkeit. Er half die Mauern niederreißen, die unsere Zunftmeister gegen das 
Eindringen starker ausländischer Anregungen und EinHüsse um den heimischen Kunstmarkt 
errichtet hatten. 
Er brachte die Impressionisten und viele der wichtigsten Repräsentanten jener 
begabungsreichen Zeit nach Wien und hätte am liebsten alle Einrichtungen der Kunst- 
erziehung und Kunstpflege neu schaffen geholfen. Diese Zeit der Gärung und Neubildung 
im österreichischen Kunstleben, die dem Kunstgewerbe, der Innenarchitektur, dem 
ornamentalen Zug der Wiener Begabungen so günstig war und zu einer neuen Geschmacks- 
bildung führte, war dem Maler nicht ganz so entgegenkommend. Sie befreite Moll wohl 
von vielen Gebundenheiten und half seinem Drang, eigene Wege zu gehen, tüchtig 
vorwärts. Er lernte seine Kräfte voll zu entfalten und zu fühlen, den Einfiuß seiner Per- 
sönlichkeit durchzusetzen. In dieser Zeit liegt aber der Schwerpunkt seiner Tätigkeit 
außerhalb seines Ateliers und seine Arbeit mit dem Pinsel wird von dem Versuche be- 
herrscht, sich in die neuen Raurnforderungen und Gestaltungsgrundsätze auch mit seiner 
Kompositionsweise und Farbengebung, mit seinen Lichtproblemen einzufügen. Das ist 
besonders in seinen Interieurs fühlbar. Daß er auch damals nicht aufgehört hat, der Natur 
nachzufühlen und von der hohen Warte seines Heims die wundervollen Erscheinungen 
der Jahreszeiten zu verfolgen, die unaufhörlich der Wiener Landschaft neuen Zauber 
leihen, das zeigen die Winter-, Frühlings- und Herbstbilder, die in knappen-i Ausschnitt so 
viel zu sagen wissen. Diese Knappheit des Ausdrucks, Abgeschlossenheit und Kraft der 
Bildwirkung ist der stärkste Gewinn jener Ver Sacrum-Periode, die ihn nicht nur mit 
dem Pinsel, auch mit den graphischen Ausdrucksmitteln nach seiner eigenen starken Form 
ringen sieht. 
Seine intensive Beschäftigung mit alter Kunst - besonders mit italienischer Malerei 
4 läßt den Maler niemals den gesunden und tragfähigen Boden verlieren, den Anschluß 
an die Vergangenheit. 
. Es ist ein Verdienst der Schaustellung, daß sie zeigt, wie Moll auch in dieser kampf- 
reichen Zeit sich seinen Zielen erheblich nähert und in der letzten Zeit eine Höhe der 
Lebendigkeit und Meisterschaft erreichen konnte, die seine vielen Neider ihm nicht 
zutrauen wollen. Nun steht er ganz auf eigenem Boden, ist Herr seiner Mittel und des 
vollendeten Ausdrucks. Die Feinheit der Empfindung und der Geschmack der Anordnung, 
die Sicherheit und Reife der Darstellung, die in den einzelnen früheren Etappen ab- 
wechselnd vor- und zurücktreten, sind in seinen letzten und stärksten Arbeiten wie eine 
Selbstverständlichkeit vereinigt. Sie bilden den Reiz einer echten und wahren, innerlich tief 
eingewurzelten Maleriiberzeugung, sind beste und edelste Malerkunst. Y 
DaB Karl Moll in seinem sechzigsten Lebensjahre eine so hohe Reife und vollwertige 
Schaifenskrak zeigen konnte, zu der ihn ein stetiger Aufstieg auf mühsamem Pfade, voll 
Dornen und Rückschlägen, unbeirrbar emporführte, das ist der erquickende Eindruck 
dieser künstlerischen Lebensbeichte, die an den Wänden vor dem Beschauer ausgebreitet 
wurde. Wien darf dem Künstler nicht nur für sein Wort und seine Tat, mehr noch für 
seinen Pinsel dankbar sein, der ihn ebenso zum Weltbürger der Künstlerschaft emporhob, 
wie sein Wollen, sein Wissen und seine kunstfördernde Arbeit.
	        
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