und anschaulichen historischen Darstellung, mit ein Hauptwert dieses Buches, daß der Ver-
fasser den Mut gehabt hat, wieder einmal allgemein gültige Lehren yorzutragen, die auf
die „Vorbildlichkeit" des von ihm behandelten Materials hinauszielen, - l
Für jede ' der behandelten Fabriken bringt der Verfasser zahlreiches neues und
wichtiges Material. Seine ungeheure Belesenheit, die nie versagende Fülle seiner Exzerpte
kommen ihm bei der Behandlung, dieser spröden, so ungleichmäßigbearbeiteten Materie
sehr zugute. 'Besonders wertvoll für die Museen und Sammler aus den Ländern der
ehemaligen Doppelmonarchie ist das Kapitel über „Steingut im früheren Österreich und
Ungarn", wobei in erster Linie die Fabriken zu Holitsch, Wien und in Böhmen vielfach
in schärferer Beleuchtung erscheinen. Sehr wichtig und verdienstvoll ist das Markenver-
zeichnls in alphabetischer Reihenfolge, das die Feststellung der Provenienz mühelos und
rasch ermöglicht. _
An die Spitze seiner Textillustrationen setzt Pazaurek eine der sympathischen und
lieben Wiener Neujahrskarten aus der Empirezeit, die im Hintergrund auf einem Tisch
eine reiche Kollektion von Vasen, Terrinen, Deckeldosen, durchbrochenen Körben etc. in
den etwas steifen klassizistischen Formen jener Epoche zeigt. Es sind nach seinerAnschauung
Steingutgeschirre, doch erscheint mir gerade dieses Beispiel nicht ganz glücklich, vor allen
Dingen nicht recht charakteristisch gewählt, denn gerade diese Typen. lassen sich Stück
für Stück im gleichzeitigen Wiener Porzellan nachweisen; übrigens empfiehlt es sich schon
aus lokalen Gründen, in den abgebildeten Keramiken Porzellanobjekte zu sehen.
Die figurale Plastik des Steingutes ist in der Pazaurekschen Darstellung wohl etwas
zu sehr en bagatelle behandelt worden. Groß ist allerdings die Zahl bemerkenswerter Stein-
gutplasciken nicht gerade, aber immerhin gibt es manche hübsche, lebendige deutsche
Einzelfigur; eine Reihe von gut komponierten Figuren und Gruppen entstand gegen Ende
des XVIII. und zu Beginn des XIX. Jahrhunderts in den Manufakturen zu Venedig und
Umgebung und keinesfalls hätte eine Darstellung der l-Iolitscher Steingutproduküon jene
interessanten und merkwürdigen Figuren von ungarisch-jüdischen Hausierern und von
Rabbinern unerwähnt lassen sollen, die der Großherzog von Toskana im Jahre 1799 in der
Fabrik persönlich bestellte; sie sind noch in der Porzellan- und Silberkammer des Palazzo
Pitti erhalten und im IX. Jahrgang dieser Zeitschrift auf Seite 333 abgebildet.
E. W. Braun
EÜTSCHEIFAYENCENF Die deutschen Fayencen des XVll. und XVIILJahr-
hunderts sind besonders in den letzten Jahren zu den gesuchtesten Sammelobjekten
geworden; man rufe sich nur die hohen Preise ins Gedächtnis zurück, die, man kann wohl
sagen, alle Fayencen aus dem Besitze des 1' Erzherzogs Ludwig Viktor bei der Dorotheum-
auküon im Oktober 1921 erzielt haben. Hand in Hand mit diesem Wachsen an Popularität
in Sammlerkreisen wuchs eine üppige, weitverzweigte, oft in den entlegensten Provinz- und
Lokalzeitschriften niedergelegte monographische Literatur, deren einziger Fehler oft die
im umgekehrten Verhältnis zur Bedeutung des betreffenden Betriebes stehende Weit-
schweifigkeit war; außerdem hat man in solchen Fällen meist über jede einzelne Fabrik
ganz und ohne Zusammenhang mit der historischen Gesamtentwicklung berichtet. Seit
J. Brinckmanns meisterhafter Zusammenfassung der deutschen Fayencen im Hamburger
Museumsführer sind rund dreißig Jahre verflossen und eine neuerliche Gesamtdarstellung
unter Berücksichtigung des gewonnenen Neulandes erschien dringend gebotenÄKein anderer
war mehr dazu geeignet als gerade August Stöhr, der sich seit langen Jahren mit seltener
Passion und großem Sammlerglück um die Aufhellung der geschichtlichen Entwicklung
der mittel- und süddeutschen Fayencen bemüht hat. Sein Werk ist die höchst inhalts- und
" August Stöhr. Deutsche Fayencen und deutsches Steingut. Bibliothek für Kunst- und Antiquitätensarnmler.
Berlin, Richard Carl Schmidt ä Co.