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nicht so zur allgemeinen Geltung gekommen ist, wie man dies hätte er-
warten dürfen, so ist dies wohl zumeist dem Umstande zuzuschreiben,
dass Oesterreich seit dem 16. Jahrhundert fortwährend von äußeren
Feinden bedrängt war, und dass die politischen Ereignisse sowie die großen
Kriege, welche Oesterreich zu führen hatte, die Aufmerksamkeit des
Volkes mehr auf Politik als auf Kunst lenkten. Unter den habsburgischen
Regenten war es zuerst Rudolf IV. der Stifter (1358-1365), welcher die
Wiener Universität begründet und den Bau der Stefanskirche gefördert
hat. Er hat sich diesem Dombau mit besonderer Liebe zugewendet, und
aus dem jüngst erschienenen Jahrbuche der I-Iofsammlungen erfahren wir,
dass am 18. November 1364 Rudolf IV. der Stifter mit seinen Brüdern
Albrecht und Leopold eine Hausordnung abgeschlossen hat, in welcher
sie sich verpflichten, die begonnene Stefanskirche zu vollenden und zu
dotiren. Der Humanist Friedrich III. (1440- 1493) war ebenfalls ein bedeu-
tender Kunstfreund. Unter den steiermärkischen Regenten war Erzherzog
Karl 1590) ein echter Kunstfreund und unter den tirolischen Fürsten
aus dem Hause Habsburg waren es Erzherzog Sigmund ("f 1490) und
Erzherzog Ferdinand (1- 1595), Gemahl der Philippine Weiser, welche sich
durch die Begründung der Sammlungen im Schlosse Ambras einen Welt-
ruf erworben haben. Auch die Ausschmüekung des spanischen Saales
daselbst und die Herstellung des Fürstenchores mit den wunderbaren
Intarsien in der Hofkirche zu Innsbruck wurde von ihnen durchgeführt.
Auch Rudolf II. (1576-1612) war einer der kunstliebendsten Fürsten.
Die Prager Kunstkammer, welche dieser Fürst anlegte, war eine der
glänzendsten Sammlungen der damaligen Zeit; er erwarb auch Dürer's
Rosenkranzfest und stand mit Strada und Giovanni da Bologna sowie mit
dem Bildhauer Adrian Fries in vertrautem Verkehr. Rudolf II. war ein
Kunstfreund ersten Ranges, dem Kunst und Wissenschaft mehr am Herzen
lagen, als die Staatsgeschäfte.
Aber unter allen Fürsten aus dem habsburgischen Geschlecht gab
es keinen, der für Kunst so viel geschaffen hat, als Kaiser Maximilian I.
(1492-1519). Von ihm gingen eine große Menge literarischer und arti-
stischer Bestrebungen aus, wie z. B. Theuerdank, Weißkunig, der Triumph-
zug und die Ehrenpforte von Dürer, des Kaisers Gebetbuch von Schoen-
sperger gedruckt, und die größten deutschen Künstler seiner Zeit, wie
Dürer und Burgkmair, standen im Dienst des Kaisers. Für seine Gemahlin
Maria von Burgund ließ er ein Grabmal in der Notre Dame-Kirche zu
Brügge errichten; er plante für die Kaisergruft in Speier ein großes
Marmordenkmal, welches durch den Meister Hans Valkhenawer hätte her-
gestellt werden sollen. Sein eigenes Grabdenkmal in der Hofkirche zu
Innsbruck gilt als das glänzendste, das von irgend einem deutschen König
oder römisch deutschen Kaiser errichtet wurde.
Die Regierung Kaiser Leopold I. (1658-1705) fällt in die Zeit, in
welcher die Türken und die mit ihnen verbündeten Franzosen und sieben-