Es befanden sich im Jahre 1534 an der Westseite der Paradeisstube,
also vom Norden her gerechnet: ein viereckiger Erker (gegen das Frauen-
zimmer), dann weiter nach Süden ein Türmchen, das fünf Fenster hatte,
also wohl fünfseitig vorsprang, dann ein halbausgeschossenes Fenster. Statt
des Türmchens soll nun auf Kragsteinen eine größere Erweiterung errichtet
werden, die mit ihren drei Fenstern im halben Achteck wohl ein Gegenstück
zu dem ebenso geformten Halbturm an der Ostseite der Stube geworden
wäre. Schwieriger zu erklären ist das halbausgeschossene Fenster, an dessen
Stelle ein gerades Kreuzfenster kommen soll. Unter einem „ausgeschossenen"
Fenster haben wir jedenfalls ein erkerartig vortretendes zu verstehen; was
aber ein „halbausgeschossenes" sein soll, erscheint zunächst unklar.
Es ist nun aber merkwürdig, daß wir die hier genannten drei Licht-
öffnungen der Westwand des Paradeises noch auf dem späteren Grundrisse
des zweiten Obergeschosses (Abb. 11) verfolgen können. Am sichersten ist
wohl die viereckige Ausladung gegen das Frauenzimmer, die wir dort über
Eck gestellt finden. Auffälligerweise ist jedoch auch das Schneckentürmchen,
das oben erweitert werden sollte, erhalten und zwar offenbar noch in seiner
alten fünfseitig vorspringenden Form; es ist hier also der Bauvertrag des
Jahres 1536 nicht zur Ausführung gelangt." Südlich von dem fünfseitigen Vor-
sprunge finden wir auf dem Plan eine Tür; hier war aber zu einer Zeit, als
der anstoßende, hohe Nordilügel des großen Hofes noch nicht errichtet war,
Raum für ein gerades Kreuzfenster und vorher an der Ecke selbst für ein aus-
geschossenes Fenster. Zu einer Zeit, als das Paradeis neben dem ursprünglich
niedrigeren Saalbaue noch frei emporragte, kann ein solches, ähnlich wie an
der Südwestecke, noch frei übereck herausgetreten sein. Als die anstoßende
Saalmauer durch den Bau des Jahres 1510 aber emporrückte, mußte ein Teil
verschwinden und so ein „halbausgeschossenes" Fenster entstehen.
IF
Wir haben nun Darstellungen einer alten Burg erhalten, die dem bisher
von uns gewonnenen Bilde der Innsbrucker Burg in geradezu überraschender
Weise entsprechen; insbesondere gilt dies auch von dem „Paradeis" und
dem anliegenden Bauüügel im Zustand vor dem Jahre 1510. Wir meinen die
bekannten Ansichten eines Schloßhofes von Albrecht Dürer in der „Albertina"
zu Wien (Abb. 19 und 20). Den ersichtlich tirolischen Charakter des dar-
gestellten Bauwerkes hat man schon lange erkannt?" Der Umstand, daß
Dürers gesicherte Innsbrucker Ansicht (Abb. 21) bei der sogenannten
„Ottoburg" (links der Innbrücke) ein Dach mit ähnlichen Türmchen, wie
eines der genannten Blätter (Abb. Ig), bietet, und daß man für die ältere
Zeit Innsbrucks immer nur an diese „Ott0burg" dachte, mochte dazu geführt
haben, in den beiden Dürerschen Blättern eben eine Darstellung dieser Burg
4' Dzß die unteren Teile (Abb. 8 und xo) abgetragen sind, kann mit späteren Umbauten zusammenhängen.
"Q Siehe Berth. Haendcke „Die Chronologie der Landschaften Albrecht Dürers" Straßburg, xägg Seite 28:
„Die Architektur weist nach Tirol."