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Wir können das Dürersche Blatt also geradezu als Baudokument ansehenfi
Auf keinen Fall können wir uns aber vorstellen, daß all die, oft über-
raschend genauen Übereinstimmungen der Dürerschen Blätter mit dem Bilde,
das wir uns nach den -alten Urkunden und Plänen von der Innsbrucker Burg
machen müssen, nur Zufall sein und auch bei irgendeinem anderen Gebäude
zutreffen könnten."
Im übrigen wird es vorteilhaft sein, wenn wir hier gleich die Darstellung
des Bergwerksbuches vom Jahre 1556 zum Vergleiche heranziehen. Wir
bieten den für uns wichtigsten Teil hier als Abbildung 22. Es ist sofort
kenntlich, daß die Darstellung hier von einem mehr östlichen Standpunkte
aufgenommen ist, als Dürer ihn innehatte; dadurch geht die Wiedergabe der
Nordseite der Stadt hier mehr ins Breite und kann manches zeigen, was bei
Dürer vielleicht schon infolge der starken Verkürzung verloren gehen mußte.
Nach Schönherfh" ginge die Zeichnung auf eine ältere Aufnahme zurück,
da die nordwestliche Seite der Stadt, beim späteren Ursulinengraben, noch
nicht verbaut erscheine; anderseits könne die Vorlage nicht vor das Jahr 1 5 36
zurückreichen, da bereits die vorher nicht vorhandene „I-Iechtenburg" (auf
dem hier fehlenden Teil des Blattes) dargestellt sei. Sicher ist wohl, daß die
Zeichnung des Bergwerksbuches nicht wenige Irrtümer enthält, die sich
durch Verarbeiten verschiedener Vorlagen und Erinnerungen erklären mögen.
Deutlich erkennbar ist die Pfarrkirche mit ihrem Turme. Über dem Kirchen-
dach selbst ist rechts der „Wappenturm" sichtbar. Die Lage und die vier
Dachhelme an den Ecken lassen die Bestimmung zweifellos erscheinen.
Der Umstand, daß das Dach fehlt, spricht gleichfalls dafür, da, wie wir
wissen, das Dach des Turmes nach dem Blitzschlag des Jahres 1522
tatsächlich abgetragen und eine Zeitlang offenbar nur durch ein niedriges
Notdach ersetzt war. Irrtümlich ist allerdings die Umwandlung der oben
Übergabe der Landesherrschaft an Maximilian. Wir haben aber keine Urkunde darüber gefunden. Der Name
„Wappenturm" ist damals übrigens unmöglich. Vielleicht handelt es sich um das spätere „Wappenhaus" oder
den alten Turm an Stelle des späteren Wappenturms. Auch kann ein Irrtum oder eine Ungenauigkeit Schönherrs
vorliegen, wie wir solche ja auch sonst nachweisen können.
ü Die bauliche Entwicklung der Pfarrkirche ist leider noch fast gar nicht erforscht; auch Jos. Weingartners
wertvolle Abhandlung über „Die alten Kirchen lnnsbrucks" (jahrb. der Kunsthistor. Samml. in Wien, 1920)
enthält fast nichts über die ältere Zeit, so daß wir nicht sagen können, ob zur Zeit einer der Dürerschen Reisen
auch eine Erneuerung (oder vielleicht vorübergehend niedrigere Form) des Pfamurmes vorauszusetzen ist.
jedenfalls würde nicht erschüttert, was sonst für den Wappenturm spricht. - Eine Erneuerung der Pfarrkirche
scheint nach Dürers zweiter Italienreise zu fallen; vgl. Primisser „Denkwürdigkeiten von Innsbruck" 1816,
Seite 37 und Gedenkbuch Maximilians aus den Jahren 1508-1515 (Reg. 4023, zu Anfang).
"i" Wir haben deshalb auch darauf verzichtet, mit der Veröffentlichung unserer Studie noch länger zuzu-
warten, trotzdem die „Kunstchronilw (Leipzig, Febr. zgzr, Seite 377), die Ankündigung enthält: „Nach Feststellung
von Dr. O. Mitius, deren Begründung demnächst erfolgt, hat den beiden Ansichten eines Schloßhofes von Dürer
in der Albertina zu Wien der Schloßhof der Kadolzburg, die drei Stunden nordwestlich von Nürnberg liegt, als
Vorbild gedient". - Nach den Aufnahmen bei Bodo Ebhardt „Deutsche Burgen" (Berlin, Wasmuth) x89; ff.
(xgoö) Seite 422 ff. muß es übrigens als ausgeschlossen erscheinen, daß die Dürerschen Blätter die Kadolzburg
darstellen. - Der Hof dieser Burg war offenbar nie geschlossen; das Haupttor liegt ganz anders; die Fortsetzung
des einen Flügels über den Hof hinaus, stimmt weder in Richtung noch in Form mit der bei Dürer erkennbaren
Anlage; der Querbau ist ganz anders gestaltet usw. Beinahe die einzige Ähnlichkeit ist, daß an den Längsfiügel
ein vorspringender, achteckiger Treppenturm ansetzt; dieser ist aber so gebüdet, daß sieben Seiten frei heraus-
treten und nur eine an oder in der Längsmauer liegt. Auch die (eine) Freitreppe daneben hat eine ganz andere
Lage. Selbst, wenn hier (spätere) Änderungen vorliegen sollten, blieben noch immer gewaltige Unterschiede.
' x" Ges. Schr. 1., Seite ms.