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Volltext: Monatszeitschrift XXIV (1921 / Heft 7, 8, 9 und 10)

AUS DEM WIENER KUNSTLEBEN S0 VON 
HARTWIG FISCHEL-WIEN S0- 
KÜNSTLERHAÜS. Die Genossenschaft bildender Künstler Wiens feiert den Gojäh- 
rigen Bestand ihrer Gemeinschaft durch eine ausgedehnte Schaustellung. Sie hat das 
Glück, unter ihren jüngeren Kräften einen Künstler in einer großen Zahl seiner Arbeiten 
vorführen zu können, der in der Vollkraft seines Schaffens stehend, soeben auch durch die 
Ernennung zur akademischen Lehrkraft eine der wenigen öffentlichen Ehrungen empfangen, 
die unsere Republik zu geben hat. Karl Sterrer ist die stärkste Persönlichkeit der Genossen- 
schaft, zugleich auch eine starke künstlerische Kraft. In ihrer Geschlossenheit und Ruhe, 
in ihrer großzügigen Einfachheit und Würde ist sie ein Gegenstück zum Bildhauer Metzner, 
dessen Andenken gleichzeitig von der Sezession geehrt wird. 
Wie der Bildhauer das architektonisch bestimmte Denkmal als Ziel hat, so richtet der 
Maler seinen Blick nach der Raumgestaltung. In überlebensgroßen Akten, in figuralen 
Kompositionen von monumentaler Erhebung weiß er die Fläche der Wand mit figuralem 
Leben zu füllen. Auch im kleinen, vom Rahmen umschlossenen Raum lebt dieser ins Große 
wirkende Sinn. In selbstbeschränkender Entsagung vermeidet Sterrer die starke Farbigkeit, 
sobald er große Flächen belebt. Nur in der Landschaft und im episodischen kleineren Bild 
zeigt er, wie in der Blumenstudie, daß ihm die Farbigkeit gelingt. Sie bleibt auch hier diskret 
an den Umriß gebunden und ohne wesentliche Bedeutung. Dafür nähert er sich mit seiner 
reliefartigen Plastik an diejenige der Künste, die gleich der Wandmalerei dem architekto- 
nischen Gestalten unterstützend und mitwirkend zur Seite steht. Diese monumentale Graphik 
mit ihrer andeutenden Plastik und nur kolorierenden Farbigkeit hat einen fesselnden Reiz. 
Man wünscht dem Künstler große Aufträge für Wandmalereien, um sich an ihnen zu jener 
Bedeutung zu entwickeln, zu der er wie geschaffen erscheint. 
Es ist erfreulich, daß man auch eine Reihe anderer Talente in den Ausstellungsräumen 
findet, die neues Blut in den alten Organismus der Genossenschaft einführen. So füllt Leo 
Delitz einen weißen Raum mit seinen Hächenhaft wirkenden Darstellungen aus dem Bauern- 
leben, mit Porträten und Studien, die alle die verblaßte Farbe alter Aquarelle zeigen, die feine 
Linienführung gut in den Raum gestellter Umrisse, die zarte Innigkeit intimer Naturbeob- 
achtung ohne Naturnachahmung. Otto Homolatsch und Hans Figura streben die rhythmische 
Flächenbehandlung in Landschaftsbildern an, indem auch sie das graphische Ornament 
betonen und der Farbe nur die Rolle einer möglichst einheitlichen Tonung zuweisen. Albert 
Janesch weiß diese bestimmte F ormbehandlung aber auch mit starker Farbigkeit zu ver- 
binden, die in ihrer hellen Klarheit freudig wirkt und gelangt darum zu wesentlich glück- 
licheren Ergebnissen. Zu größerer Kraft wächst E. Sturm. Skrla, der sowohl die Landschaft 
als auch das Figurenbild in Form und Farbe rhythmisch löst. Daneben ist eine reiche 
Auswahl von Arbeiten der in ihrer Art mehr konservativen Genossenschaßsmitglieder vor- 
handen, die bekannt und in weiten Kreisen beliebt sind; sie leiten zu den retrospektiven 
Arbeiten über, denen aber diesmal kein großer Raum gegeben wurde. 
Man hat der Gegenwart ihr Recht gelassen, den Augenblick zu nützen und der all- 
gemeinen Kauflust mannigfaltiges Material zu bieten. Mancher stille und intim schaffende 
Künstler weist in seiner Beständigkeit und Treue an ein gestecktes altes Ziel so auf die 
Entwicklung zurück, die schon durch einige Menschenalter ihre Stärke bewährt hat. 
Daß die modischen Porträte so stark zurücktreten und die großen Historien gänzlich 
fehlen, ist nur ein Gewinn für den Gesamteindruck. Daß sich junge und energische Triebe 
in diesem Chorus betätigen können, ist ein Zeichen der Verjüngungskraft, die ihm inne- 
wohnt. Man freut sich, daß hier Ansätze eines Zusammenwirkens gegeben sind, das der 
Künstlerschaft so not tun würde. 
Wie gut wäre es für die Stärkeren wie für die Schwächeren, wenn ein kluger Zusammen- 
schluß die so arg gefährdete Lebensfähigkeit in wirtschaftlichem Sinne kräftigen und der
	        
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