IN NEUES WERK ÜBER SAMMLERMARKEN." Noch in seiner
edelsten Erscheinungsform verkündet der Sammeltrieb den der menschlichen Natur
tief eingewurzelten Wunsch nach persönlichem Eigentum. Den Erwerbern von Büchern
und Kunstwerken, die in der Freude erfüllter Hoffnung ihre Schätze mit einem Besitz-
vermerke versehen, ist es nicht allein um deren Sicherung gegen Diebstahl zu tun; bewußt
oder unbewußt verfolgen sie gleichzeitig die Absicht, künftigen Geschlechtern den Ruhm
ihres Mäzenatentums vor Augen zu führen. Auf dieser Funktion beruht die mannigfaltige
kultur- und kunstgeschichtliche Bedeutung der sogenannten „Sammlermarken", die etwa
seit dem Beginne des XVII. jahrhunderts graphischen Blättern statt des handschriftlichen
Namenszuges aufgedruckt oder eingepreßt zu werden pflegen. Gegenüber dem Ex-Libris,
das schon vermöge seiner künstlerischen Gestaltungsfähigkeit in den Mittelpunkt reger
Sonderforschung gerückt und - seinem ursprünglichen Sinne entfremdet 7 zuguterletzt
sogar an und für sich zum begehrten Sammelgegenstand geworden ist, hat man den
Sammlermarken ob ihres viel schmuckloseren Auftretens gemeinhin eine unverhältnismäßig
geringere Beachtung geschenkt. Und dennoch bedarf es nur weniger Erwägungen, um ihr
systematisches Studium zu befürworten. Vor allem bewährt auch diese Gattung von Eigner-
zeichen ihren unvergleichlichen Quellenwert für die Entwicklungsgeschichte des Sammel-
wesens; wo Inventare, Kataloge und sonstige Behelfe versagen, vermitteln oft sie allein
eine anschauliche Vorstellung von den einstigen Beständen der hervorragendsten „Kunst-
kabinette". Ferner gestatten solche Besitzvermerke mancherlei Rückschlüsse auf die Eigen-
schaften der Kunstwerke, denen sie einverleibt sind: Der vornehme „Pedigree" eines Siiches
verbürgt im vorhinein die Qualität des Druckes, die alte Marke einer Zeichnung schützt
zumindest vor demVerdacht moderner Fälschung, liefert einen (freilich recht unbestimmten)
terminus ante quem der Datierung und kann gelegentlich vielleicht mitsprechen, wenn es
den aus inneren Gründen erschlossenen Zusammenhang verstreuter Blätterfolgen von einer
neuen Seite her zu bestätigen gilt. Aber auch um ihrer selbst willen beanspruchen die
Sammlerzeichen einige Aufmerksamkeit. Die mitunter von Künstlerhand entworfenen
Stempel werden nicht selten ein formales Interesse erwecken; neben dem ornamentalen
Reiz monogrammatischer Letternverbindungen dürften schließlich noch graphologische
und heraldisch-emblematische Momente in Frage kommen.
Das vorliegende Werk ist das erste, das all diesen Gesichtspunkten vollauf gerecht zu
werden vermag. Wie Lugt bereits in der faksimilegetreuen Wiedergabe der Marken, die
auf Originalabdrücke der erlangbaren Stempel, auf zuverlässige Pausen und photographische
Aufnahmen zurückgeht, seinen Vorgänger Fagan (Collectors' marks, X883) weit hinter sich
läßt, so übertrifft er ihn nicht minder durch die Zahlenhöhe seines Verzeichnisses, das von
671 zu 3026 Nummern emporsteigt; bei der Berichtigung älterer Irrtümer und Verwechs-
lungen, bei der Bestimmung bisher ungedeuteter Zeichen hat erjeden erdenklichen Finger-
zeig aufgespürt und geprüft. Das entscheidende Verdienst des Verfassers ist jedoch erst
darin zu erblicken, daß er sich niemals gleich Fagan mit einer trockenen Zusammenstellung
der Marken, Namen und Daten begnügt, sondern die Stempel stets zum Ausgang nimmt,
um deren Inhaber und ihr Kunstgut in treffsicheren Zügen zu charakterisieren. Da öffentliche
und private Sammlungen eine gleich liebevolle Behandlung erfahren, da des Autors
„historische Notizen" - hierin nahezu ohne Vorbild _ anläßlich der aus einer Sammlung
erwachsenen Versteigerungen neben der jeweils erzielten Gesamtsumme auch die Ziffem-
ergebnisse der wichtigsten Einzelstücke mitzuteilen wissen, darf seine grenzenlose Mühe-
waltung als die wesentlichste Vorarbeit zu einer allgemeinen Darstellung des Sammelwesens
bezeichnet werden. Aus dieser Anlage des stattlichen Bandes, die etwa in dem J. P. Mariette
gewidmeten Artikel ihren Gipfel erreicht, geht eine Reihe fruchtbarster Anregungen hervor.
Durch den tiefen Einblick in die lnteressensphären der sammelnden Kunstfreunde, für deren
Psychologie ja schon Zahl und Art der von ihnen gebrauchten Marken nicht ganz belanglos
3'" Frits Lugt, Les Marques de Collecüons de Dessins et d'Estampes . . . avec des Notices historiques sur les
Collectionneurs, les Collecüons, les Ventes, les Marchands et Editeurs etc. Amsterdamälereenigde Drukkerijen ig: i.