sind, gewinnt die Geschichte der ästhetischen Bildung, der Mode und des Geschmackes die
aufschlußreichsten Erkenntnisse; nirgends sonst empfängt man nebenher über die soziale
Schichtung der Sammlergemeinde, über die den erstaunlichsten Schwankungen unter-
worfene Preisbildung des Weltrnarktes eine ähnliche Fülle willkommener Belehrung, die
wie hier einen Zeitraum vom Anfang des XVlLjahrhunderts bis zur jüngsten Gegenwart
umfaßte. Gerade weil Lugt die oft entlegene Spezialliteratur mit ungewöhnlicher Sorgfalt
anführt und verarbeitet, sei ausdrücklich betont, wie weit noch die den großen staatlichen
Instituten gewidmeten Spalten seines Handbuches von einer bloßen Kompilation entfernt
sind: eine Behauptung, der unlängst in Friedländer ein klassischer Zeuge erstanden ist. Daß
schließlich der Verfasser die Nachlaßstempel den Sammlermarken gleichwertig erachtet
hat, wird bereitwillige Zustimmung finden; eher ließe sich über die logische Berechtigung
des Grundsatzes streiten, demzufolge auch die von Kunstvereinen und Verlegern zur Kenn-
zeichnung ihrer graphischen Publikationen, die von vervielfältigenden Künstlern gelegentlich
als Signaturen verwendeten Marken - offenbar lediglich im Hinblick auf deren materielle
BeschaHenheit - in das Hauptthema einbezogen sind. Um so geringer ist dagegen angesichts
der in keiner Beziehung zu überbietenden Vorzüge des Werkes die Verlockung, in irgend-
welchen untergeordneten Einzelheiten den Splitterrichter zu spielen. Die ihm einzig
angemessene Kritik bestünde wohl darin, denVerfasser, der sich erst nach der aufopferungs-
vollen Hingabe vieler Jahre zur Veröffentlichung des vorliegenden Bandes entschlossen hat,
durch die Übermittlung von Verbesserungs- und Ergänzungsvorschlägen dereinst zur
Herausgabe eines Supplementes zu ermuntern. Diesem bleibt auch eine allgemeine Vor-
bemerkung über Entstehung und Verbreitung der Sammlerzeichen vorbehalten, die der
eingefleischte Historiker nur ungern vermißt. Vom rein praktischen Standpunkt aus erschiene
endlich eine kurze Anleitung zur empfehlenswertesten Herstellungs- und Verwendungsart
der Stempel angezeigt, zumal selbst heutzutage nur allzuviele Hüter von Handzeichnungen
und Stichen zu deren untilgbarem Schaden auf diesem Gebiete eine bedrohliche Sorglosigkeit
an den Tag legen.
Im Berufshaushalt des Kunstgelehrten, des Museumsbeamten und des Sammlers s
von dem des Händlers ganz zu geschweigen - haben sich Lugts „Sammlermarken" binnen
kürzester Frist als durchaus unentbehrlich erwiesen. Der dankbare Benützer wird das be-
wunderungswürdige Nachschlagewerk, dessen zielbewußte Einteilung und Anordnung aber-
mals mustergültig zu nennen ist, jenen Höchstleistungen lexikaler und katalogmäßiger Arbeit
anreihen, die von jeher zu den stolzesten Ruhmestiteln der um die graphischen Künste be-
mühten Forschung gezählt haben: Sind es doch zu keiner Zeit die Herrscher und Baumeister
im Reiche des Geistes gewesen, die auf die selbstlose „Kärrner"tätigkeit im Dienste der
Wissenschaft hochmütig herabsehen zu dürfen glauben. Kurt Rathe
ANS CHRIST. LUDWIGSBURGER PORZELLANPLASTIK.
(Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart und Berlin 1921.) Das neue, nun schon dritte
Buch über die LudWigSburgerIPorzeIIanplastik, notwendig geworden nach den allzu kühnen
Folgerungen des Werkes von Leo Balet (1911), ist als erster Band der neuen Bücher der
Kunstsammlungen des Württembergischen Staates erschienen. Im Vorwort heißt es, daß
das Hauptgewicht auf ein systematisch angeordnetes, künstlerisch sorgfältig durch-
gearbeitetes Abbildungsrnaterial aus dem Bestande des Museums Vaterländischer Alter-
tümer gelegt wurde. In der Tat sind die im Tiefdruckverfahren vervielfältigten Aufnahmen
von Dr. Otto Lossen ganz vorzüglich. Sie sind in großem Format gehalten und zeichnen
sich durch Schärfe aus; die Spiegelungen der Glasur kommen nirgends störend zur Geltung
und die Modellierung erscheint bei den meisten Stücken klar herausgearbeitet. Die Auf-
nahmen lassen auch die Art des Farbenauftrages deutlich erkennen. so daß der jeweilige
Stil der Figurenbemalung nach der Seite der Farbenbehandlung hin unschwer aus ihnen
zu ersehen ist. Der Text des Buches rührt von Hans Christ her. Wer sich mit der Ge-
schichte der deutschen Porzellanplastik näher beschäftigt hat, kennt die Schwierigkeiten,