schah zu verhelfen, dabei getreu die Italiener nachahmend, auch in der Wiederholung der
gleichen Ornament-Gegenstände und in der willkürlichen und unpassenden Anwendung-
dersolbeu. Dagegen muss ihnen Gefühl flir Arrangement, für Schönheit der Linien und
Formen nachgerühmt werden.
Plastischer Sinn durchdrang wie die Kunst auch das Handwerk und es hängt damit
zusammen, dass die Kunst des Wadenschmieds in höchster Blüthe stand, während im Kriege
selbst die ritterliche Waffe ihre frühere Bedeutung verloren hatte. Aber diesem plastischen.
Sinne konnten in einer Zeit der Aufregung und des Streites keine grossen Aufgaben werden,
und als Ruhe eintrat, hatte auch schon wieder der Geschmack sich verändert. Neben dem
Sinn fiir Form geht die Vernachlässigung der Farbe einher, wie wir auch an der fran-
zösischen Emailkunst von Limoges sehen, welche gerade in ihrer Bliithezeit sich fast aus-
schliesslich auf graue Töne beschränkte. Und während eine Art orientalischer Ornamentstion;
deren Muster durch Waden nach Europa gekommen war, sich für Fliichendecoration erhielt,
welche durch die Farbe keineswegs die Verstellung von Schatten und Licht hervorrufen
will (z. B. bei Bucheinbänden), biirgerte sich das Reliefornament da ein, wohin es am
wenigsten passte, in den Webewaaren. '
Der Umschwung des Geschmackes hatte sich in der Sculptur und Kleinkunst um
1530 bereits ganz vollzogen, die Architektin hinkte diesmal nach, eben weil niemand Ruhe
hatte, an grosse Baunnternehmungen zu denken, der Sinn mehr auf die „innere Kirche"
als auf die Wohnung derselben gerichtet war und die reformatorische Bewegung eher
Kirchen überflüssig machte, als neue verlangte. Um dieselbe Zeit unterwarf sich Frank-
reich, das eben einmal der Ruhe genoss, der italienischen Kunst, deren Kenntniss durch
die vorausgegangenen Kriege vermittelt worden war. Das geschah so schnell, dass unter
italienischem Detail der französische Geist fortlebte, die gothische Anlage sich mit dem
Ornament der Renaissance vertragen musste. Erst um die Mitte des sechzehnten Jahr-
hunderts gelangte man zu strengerer Durchführung des italienischen Baustyls, nur die
Thürme der Gothik leben in den Pavillons fort.
Eine entsprechende Bewegung zeigt in Deutschland die zweite Hälße des genannten
Jahrhunderts; grossartige Schloss- und Rathhausbanten, i.n der stldtischen Architektur Ver-
schmelzung von Gothik (Raumbeschränkung, Aufstreben der Gebäude) mit Formen der
Renaissance. Im Innern des Hauses, wo die Kleinkunst waltet, herrscht die Renaissance;
die Einrichtung der Zimmer, die Möbel, der Schmuck verlindern sich unter ihrem Eindusse.
So zeigt die deutsche Renaissance um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts eine Ver-
einigung von Pracht und Solidität mit Feinheit und Schönheit, welche das gebildete Kunst-
gefihl befriedigt.
Vierte Vorlesung: Der Barockstyl. "Barock", ein täglich gebrauchter Wort,
ist seinem Sinne und seiner Abstammung nach eben so schwer zu erklären, wie der Zeit-
raum zu begrenzen, in welchem der so benannte Styl seine Herrschaft ausiibte. Der Ab-
leitung von Baroccio, dem Namen eines Malers, bei welchem sich die charakteristischen
Eigenschaften jenes Styles, das Gezierte an Stelle des Anmuthigen, das Uebertriebene an-
statt des Grossen, besonders vollständig und scharf ausgeprägt vorfinden, wird eine andere
entgegengesetzt von „baroco", einer Schlussfoimel der mittelalterlichen Logik. Der Styl trat
nicht überall gleichzeitig auf, nicht blos in verschiedenen Ländern beschleunigten oder ver-
zögerten verschiedene Vorbedingungen den Uebergang, sondern innerhalb eines und des-
selben Landes berührten sich Nachblüthe der Kunst und völlige Entartung. Die Renais-
sance batte wie ein mächtiger Strom sich über Europa ergosseu, jetzt zersplitterte sich
der Geschmack wieder, hier noch rein, dort triibe diessend, bis in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts die von Frankreich ausgehende Strömung ihn wieder in einem Bette verei-
nigte. In Deutschland machten sich nach dem Augsburger Religionsfriedeu Ermattung, Par-
tieularismus, Spiessbürgerthum im ößentlichen Leben geltend, und die Rückwirkung auf die
Kunst konnte nicht ausbleiben. Das wissenschattliche Leben versendete in unfruchtbaren
theologischen und philologischen Streitigkeiten, die Poesie redete in lateinischer Sprache,
der Glaube, den das vorausgegangene Zeitalter so inbrünstig gesucht hatte, war wiedergefun-
den, aber er war ein starrer, nüchterner, im Protestantismus sogar ausgesprochener Feind
der Kunst. Selbst den Teufel, mit welchem vorher ein phantastisches Spiel getrieben wor-
den, wsgte man nicht mehr zu malen, seitdem er von der Kanzel aus so drastisch geschil-
dert wurde; nur die Niederländer excelliren um dieselbe Zeit in Höllen- und Teufelbildern:
Breughel etc. Die Moral verknöchert in der Allegorie, welche, ein sicheres Zeichen der
Schwäche der Zeit, sich auf allen Kunstgebieten breit macht. Die Künstler suchen nach
Einfachheit und Natürlichkeit, und nehmen statt derselben das Triviale, anstatt des Siunigen
lässt sich ein Andug von Sentimentalität bemerken, die eigentlich erst in einer späteren
Periode aum-itt. Als besonders bezeichnend für den Mangel wahrer Naivetät hob der Redner
hervor, dass den Künstlern die Darstellung von Kindern misslingt; sie können nur kleine
Menschen mit alten Gesichtern malen und meisseln. Daiiir wird alles gesucht, mauierirt,
theatralisch arrangirt und aufgeputzt. Dabei hat sich eine virtuose Technik erhalten, aber
man legt ihr zu grossen Werth bei und geräth auch mit ihr auf Abwege. So wird die