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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe I (1866 / 5)

Die Goldfäden der mittelalterlichen Brocatweber und 
Bildsticker. 
Dr. Franz Bock sagt in seiner Geschichte der liturgischen Gewänder 
des Mittelalters (Bonn 1859 S. 42) bei der Beschreibung eines saracenischen 
GoldstoEes aus dem I3. Jahrhundert: 
„Diese Goldfaden sind von sehr merkwürdiger Beschaüenheit; sie 
sind nämlich nicht rund als Fäden gedreht, sondern gleich wie dünne 
Riemchen platt geschnitten; dienoch ziemlich starke, dem Auge wohl- 
thuende Vergoldung ist blos auf der einen Seite des Iiementijrmig platten 
Fadens appliciit: die Kehrseite des in Rede stehenden Gewebes lässt den 
auf der Hauptseite vergoldeten Platttaden bräunlich (ohne Vergoldung) zum 
Vorschein kommen. Trotz emsiger Nachforschungen lässt sich bis jetzt 
zur Stunde weder der Urstoif des gedachten Fadens angeben, noch ein 
Nachweis iiihren, mittelst welchen Bindemittels auf dem zarten Riemenfaden 
eine solche schöne und solide Vergoldung aufgetragen werden konnte. Die 
Ansicht gewichtiger Stimmen sprach sich dahin aus, dass die Substanz 
des Fadens kein animalisches, sondern ein vegetabilisehes Product sei. 
Man war der Meinung, diese Fäden, welche auf der Kehrseite das Aus- 
sehen einer zarten Pilanzenrinde bieten, riihrten von einem faserreichen 
Gewächse her (etwa der Papyrusstaude, dem Byssus?) Diese feinen 
Pilanzenhäutchen (Bast) wären im Oriente in grossen Quantitäten auf einer 
Seite vergoldet worden und bis ins späte Mittelalter den occidentalischen 
Webereien als fertiges Goldgespinnst, als Waare, zugekommen." 
In einer Anmerkung zu dieser Stelle heisst es weiter; 
„Auf chemischem Wege haben wir von bedeutenden Fachmännern in 
Lyon, Paris und Berlin die Goldfäden in den Geweben des Mittelalters 
vom 10. bis 15. Jahrhunderte analysiren lassen: indessen führte diese Unter- 
suchung zu keinem bestimmten Resultate. Es wäre vom grössten Interesse 
Fir eine billige Herstellung von Goldgeweben, namentlich zu kirchlichen 
Zwecken, wenn man heute wieder einen solchen Goldfaden, wie sie das 
ganze Mittelalter zu kirchlichen Ornaten anwandte, darstellen könnte. Dass 
diese präparirten Fäden mit eigenthümlicher Vergoldung nicht so theuer 
als unsere heutigen Goldfaden gewesen sein müssen, geht schon aus dem 
Umstande hervor, dass bei den älteren Geweben bis zum 16. Jahrhunderte 
seltener Brochirungen in Gold vorkommen, sondern zur Darstellung von 
Golddessins in der Regel der Goldfaden als Einschlag der ganzen Breite 
der Kette entlang durchläuft." 
Als die Beck'sche Sammlung in den Besitz des k. k. Museums Fir 
Kunst und Industrie überging, wurden erneute Untersuchungen über diesen 
Gegenstand als wünschenswerth bezeichnet. Ich habe mich dieser Arbeit 
unterzogen und das Resultat derselben ist folgendes: Bei den Goldfäden, 
an welchen die Vergoldung auf organischer Grundlage ruht und wie sie
	        
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