wohl in Rücksicht auf die Erzeugungskosten weniger als vor 300 Jahren
concurriren können, und auch in Rücksicht auf die Haltbarkeit wird man
ihm sicher wenigstens keinen unbedingten Vorzug einräumen. Eines aber
bleibt ihm unbestritten, die grössere Leichtigkeit undtBiegsamkeit. Auch
ist er sicher liir manche Zwecke, namentlich für das Anlegen von Grund,
künstlerisch von besserer Wirkung. Der metallische Lahn hat eine blanke,
einförmige Oberfläche, von der er das Licht spiegelt und die ihm etwas
Hartes und Steifes gibt, während die Oberliäche des zarten vergoldeten
Häutchens eine Menge kleiner Bewegungen. zeigt, vermöge welcher der
alte Goldfaden sich mehr dem Gewebe assimilirt als der moderne, und bei
gleichem, ja bei besserem Hervortreten der Goldfarbe ein milderes Licht
verbreitet. Es ist desshalb wohl nicht Sparsamkeitsrücksichten allein zu-
zuschreiben, dass die niederrheinischen Bildsticker des 16. Jahrhunderts
beide Arten von Fäden nebeneinander anwendeten, den einen in Gründen
und Flächen, den anderen in Linien und an solchen Puncten, welche durch
ihren höheren Glanz stärker in die Augen fallen sollten. Ernst Brücke.
(Dieser Aufsatz ist der österr. Wochenschriß für Wissenschsh, Kunst und ötfentl. Leben
[Bei]. d. k. k. Wiener Zeitung] Nr. 17 v. J. 1865 entnommen.)
Ein Votum über Kunstgewerbo und die Nürnberger Kunst-
gewerbeschule.
Die Frage über den Stand der Kunstgewerbe in Deutschland und
die Nothwendigkeit der Gründung von Kunstgewerbesehulen, seit der
Gründung des österr. Museums vielfach speciell in Oesterreich erörtert,
wird nun in allen deutschen Journalen ventilirt. Historienmaler F. Dietz
berichtet über das Thema. „Kunst und Gewerbe in Deutschland" in der
A. A. Z. (31. Dec. 1865 Beilage), offenbar angeregt durch die Ausstellung
der Nürnberger Kunstgewerbeschule in Karlsruhe, derselben Ausstellung,
die wir im Frühjahre des verliossenen Jahres in dem österr. Museum ge-
sehen haben.
Er constatirt die Thatsache, „dass die deutsche Industrie im Grossen
keine geschulten Künstler zur Verfügung hat, der Stand der kunstgewerb-
liehen Erlinder und Zeichner, wie ihn Frankreich in seinen Dessinateurs
besitzt, in Deutschland nicht existirt". Wir nehmen mit Genugthuung von
einem Votum Act, das ein so gewiegter Künstler, wie es F. Dietz ist,
abgibt, ohne auf gewisse Ueberschwänglichkeiten einzugehen, ohne die
deutsche Künstler heut zu Tage über einschlägige Gegenstände einmal
nicht schreiben zu können scheinen. Insbesondere was von der "idealen
deutschen Kunst", von der die wahre Veredlung und Consolidirung des
deutschen Geschmackes ausgehen soll, in dem Artikel zu lesen ist, kann
uns, so wahr es unter gewissen Voraussetzungen ist, wenig imponiren. Ist
doch gerade in der deutschen Kunst das ideale Element in der Decadence