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den Dualismus des Kunstgewerbes; Maler und zugleich Bildhauer, hat er,
selbst ein ausserordentliches Lehrertalent, die richtigen Kräfte um sich zu
versammeln gewusst, welche ihn in dem pädagogischen Theil seiner Auf-
gabe trefflich unterstützen. Eine Sammlung von Studien der Nürnberger
Anstalt machte vor zwei Jahren in München, später in Wien und Karls-
ruhe gerechtes Aufsehen; sie bestand aus Schülerarbeiten der Anstalt,
welche so zu sagen die Mustervorlagen eines grossen Examens ausmachten;
es waren die plastischen Modelle und Reliefs von Friesen, Gesimsen und
Ornamenten hoher und höchster Gattung, von den Urtypen der Natur in den
Blattfonnen durch die Ordnungen des griechischen und mittelalterlichen
Styls hinaufsteigend bis zu dem architektonischen Aufbau eines Schrankl.
einer Kanzel, eines Altars, mit Beigabe der zeichnerischen Bearbeitung des
Plastischen, um die Unterrichtsmethode des wechselnden Stotfs zu zeigen; es
waren endlich die Uehungen der akademischen Kunst, die Ccpien der Antike,
die Studien nach dem menschlichen Körper, vom einfachen Actmodell an
bis zur plastischen Schönheit der Gewandmctive, der lebensgrossen Gestalt
und des Chnrakterkopfs."
Ferner verlangt F. Dietz , dass an allen Kunstschulen Architektonik
und Ornamentik gelehrt werde; denn die Mutter aller Ornamentik ist
die Architektur. Der letztere Satz ist, so berechtigt das Petitum selbst
erscheint, wieder nur halbwahr, denn es ist nicht richtig, dass „die Leh-
rerin aller Ornamentik die Architektur ist"; die Kunstgeschichte lehrt im
Gegentheil, dass die Entwickelung des Ornamentes zu einem grossen Theile
ganz unabhängig von der Architektur ist.
Dietz täuscht sich auch in dem Puncte, wenn er meint, dass
ein allgemein giltiges Bild-, Form- und Mustergesetz „die Fabrikanten
zwingen würde, wirkliche Künstlerkräfte in die betreffenden Industrie-
zweige einzuiiihren"; denn der Fabrikant braucht nicht solche Männer,
wie man sie in der Regel unter dem Ausdrucke nwirkliche Künstlerkrätte"
versteht, sondern er braucht tüchtige und gut geschulte Kiinstlerkräfte, die
es vermögen, auf die Kunstanforderungen eines speciellen Industrie-
zweiges einzugehen.
Recht aber hat Dietz, wenn er von einer intelligenten Ptlege der
Kunstgewerbe und der Förderung der architektonischen Studien an Kunst-
schulen hofFt, "dass der thatsächlicb überfüllte deutsche Küntlerstand einen
wohlthätigen Abtiuss seiner Kräfte nach der realen Seite des Lebens ge-
wänne, während die erworbene grössere wissenschaüliche Bildung dem
Träger der idealen Kunst nur zum Heile gereichen würde".
Gegenwärtig regen sich auch in Oesteneich immer mehr Stimmen,
welche eine Reorganisation der Gewerbeschulen und speciell die Gründung
einer mit dem österr. Museum in Verbindung tretenden Kunstgewerbeschule
verlangen. Unter den in jüngster Zeit ausgesprochenen Voten nimmt den
ersten Rang das Urtheil ein, welches in dem trefflich redigirten „Jahr-