JAHRESBERICHT
des
k. k. Oesterr. Museums für Kunst und Industrie
für 1891.
.
Unter den Begebenheiten, welche gegenwartig in der Geschichte des Oesterr.
Museums Jahr für Jahr sich zu ereignen pllegen, haben die Specialausstellungen den
ersten Rang eingenommen. Sie folgen sich zahlreicher und bedeutender als in den ersten
Jahrzehnten der Existenz unserer Anstalt. Es ist auch nothwendig, je mehr das Publicum
sich an den langsam vermehrten Stand der Sammlungen gewohnt hat und dem Museum
mannigfache Concurrenz erwachsen ist, auf sie den größten Nachdruck zu legen. Das
verflossene Jahr sah im Ganzen vier solcher Ausstellungen, welche, mit Ausnahme der
Monate des Hochsommers, fast ununterbrochen einander folgten. Es geziemt sich daher,
dass auch der Jahresbericht zuerst von ihnen besondere Kenntniss gibt.
Die erste Ausstellung, welche noch im Laufe des Janner erolfnet werden konnte,
war bisher die einzige ihrer Art, eine Costümausstellung, nicht von Abbildungen, sondern
von den echten Originalgegenstanden. Sie zerßel in zwei Gruppen, in eine historische
und in eine nationale, welche, soweit als möglich und thunlich, umfassend sein sollten.
Unvollständig aus diesem Gesichtspunkte mussten beide Gruppen sein, die erstere, weil
zu wenig Gegenstände vorhanden sind, welche über das sechzehnte Jahrhundert hinaus-
gehen, die zweite, weil der Gegenstände zu viele sind, als dass die Raume des Museums
sie hatten fassen können. Dennoch gewährte die Ausstellung ein überaus reiches Bild,
welches national und ethnographisch von den Inseln der Südsee über Asien, Afrika und
Europa bis zu den Indianern Amerikas reichte, historisch aber durch ganze altere
Costume wie durch viele Einzelheiten ein großes Interesse, zumal für die Künstler, dar-
bnt. Von dem Bestande haben die v-Mitlheilungen des Museums: in ausführlicher Weise
Auskunft gegeben. Zahlreiche photographische Aufnahmen wurden gemacht, um die
Grundlage eines Cosmmwerkes zu bilden, von welchem demnächst die erste Lieferung
ausgegeben wird.
Der Costümsusstellung, welche durch die außerordentliche Betheiligung der bos-
nischen Regierung eine besondere Anziehungskraft erhalten hatte, folgte im Beginne des
Sommers die zweite Ausstellung der Amateurphotographen, welche durch den diesmal
aufgestellten Gesichtspunkt ganz mit den Intentionen und Bestrebungen des Oesterr.
Museums zusammentraf. Der Gesichtspunkt war der, dass nicht technische Fortschritte
oder photographische Vollkommenheit die Aufnahme bedingten, sondern vielmehr die'
künstlerische, bildmäßige Darstellung, sei es in der Landschaft, im Porträt oder im
Genrebilde. Von diesem Gesichtspunkte aus bot diese Ausstellung höchst interessante
Erscheinungen und erfreute sich der allgemeinsten Anerkennung.
Zum dritten bildete die Ausstellung unserer Kunstgewerbeschule, welche, wie
bekannt, alle zwei Jahre stattfindet, ein Ereigniss für alle Jene, welche sich für den
Unterricht in der Kunst interessiren. Zum ersten Male zeigte sich der Erfolg der letzten
durchgreifenden Statutenanderung; derselbe fand die Anerkennung der Besucher sowie
des hohen Ministeriums, welches dieser Anerkennung in einer besonderen Zuschrift an
den Aufsichtsrath Ausdruck verlieh. Leider ist der Ausstellung der Kunstgewerbeschule
immer nur eine kurze Frist gegeben zwischen dem Wiederbeginne des Unterrichtes und
dem Beginne der Vorlesungen im Museum, welche den Hauptsaal fhr sich in Anspruch
nehmen. '
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