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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe I (1866 / 6)

 
in Innsbruck im Museum ausgestellt. Sie sind ohne Frage deutsche Arbeit aus der 
ersten Hütte des 16. Jahrhunderts, von einer wunderbaren Vollendung und führen die Be- 
weglichkeit der Glieder bis in die Details der Finger und Zehen durch. Es wäre sehr 
zu wünschen, dass das Innsbrucker Museum diese Gliedermiinner nachschnitzen liesse; an 
geschickten Technikern und Materials fehlt es in Innsbruck nicht und es würde auch an 
Abnehmern nicht fehlen, wenn die Reproducüon gut und um einen miissigen Preis her- 
gestellt würde.) Die hier verfolgte Methode des Unterrichtes hat bereits eine lange und 
bedeutungsvolle Geschichte. , 
Die erste Erwähnung der Fliichenbehandlung iindet sich in A. Dürer's „vier Büchern 
von menschlicher Proportion" (Nürnberg 1525. Fol. V. bis Z. 111.). Die Zeichnungen in 
diesem Werke sind, wie selbstverständlich, meisterhaft, das Anlehnen der Fläche an die 
Form des Körpers consequent durchgeführt. 
Ebenfalls sehr verständig ist dieses Princip zur Geltung gebracht in Erhart Schön's 
„Unnderweissung der proporzion und der passen, liegent und stehent abgestolen wie man 
das vor augen sieht". Nürnberg 1538. Ueber die Entstehung dieses Büchleins gibt die 
Vorrede Aufschluss: seine "Jungen" haben den Verfasser mit der Bitte angegangen, ihnen 
die Kunst der Proportion und der Messung zu erleichtern. Wie aus der Vorrede hervor- 
geht, haben sich damals Steinmetze und Goldschmiede mit der Kunst der Messung und 
Proportion vielfach beschäftigt, mehr als es heutigen Tages bei Steinmetzen und insbesondere 
bei Goldschmieden zu geschehen scheint. Im sechzehnten Jahrhunderte war aber die Gold- 
schmiedekunst eine Kunst - heut ist sie meist nur Geschäft und Handwerk. 
Das Dürer'sche Princip, das Erhart Schön und Beharn zu Arbeiten angeregt, die 
ganze Nürnberger Schule geistig befruchtet hat, wird fortgesetzt in H. Lnutensaek's „des 
Cirkels und Richtseheyts, auch der Perspective und Proportion der Menschen und Russe 
kurtze doch gründliche underweisung dess rechten gebrauche" (Frankfurt 1564,). Lauten- 
sack nennt sich Goldschmied und Maler zu Frankfurt am Main. Fol. 45 H47 wird die 
Fliichenbehandlung wiedergegeben, die den zuerst angeführten vier Holzligürchen zu Grunde 
liegt. Auch das LautensaclCsche Buch wendet sich Goldschmieden, Schreinern und 
Steinmetzen eben so zu, wie Malern und Bildhauern, und ist ein lantredendes Zeugniss für 
das grosse Bedürfniss nach gründlichcin Kunstunterrichte in den Kreisen des Kunst- 
handwerkes. im sechzehnten Jahrhunderte hat dasselbe im deutschen Reiche seinen Höhe- 
punct erreicht. 
In unseren Tagen hat der k. h. Hauptmann Herr H. S chöpfer eine „Anleitung zum 
Figuren-Zeichnen auf Gnmdlage des geometrischen Gliedermannes" (Wien und Olmütz, bei 
E. Hölzel, 1863) herausgegeben. Das Buch fand in Künstlerkreisen viel Beifall -allerdings 
auch manchen Widerspruch. 
Der Gliederrnann sowie die hervormgendsten Blätter sind neben den angeführten 
Büchern und Modellen ausgestellt. Fachmänner werden wohl Gelegenheit haben, zu be- 
urtheilen, in wie weit der Scböpfefsche Gliedennnnn auf einer richtigen Grundlage 
ruht, und in wie weit derselbe einer Ergänzung und Fortbildung bedarf. 
Literuturbericht. 
Unter den in die Musenmsbibliethek aufgenommenen Werken national-ökonomischen 
Inhalts nimmt das „Jahrbuch für Industrie und Handel in O esterreich", herzus- 
gegeben irn Außrege des Vereines der österreichischen Industriellen von dem Vereins-Secretir 
Dr. Peez, einen hervorragenden Platz ein. Der Inhalt des Jahrbuches zerfällt in vier Ah- 
theilnngen: eine statistische, eine zweite, die Aufsätze enthält, eine dritte, die alle Gesetze 
enthält, die seit der Publication des ersten Jahrgang-es erschienen sind, und eine vierte, 
die sich mit den inneren Vereinsangelegenheiten beschäftigt. Uns interessiren insbesondere 
die beiden ersten Ahtheilungen, der mnsterhsß nbgefesste statistische Bericht und. der Ant'- 
sntz des Dr. Peez über „die Lehrwerkstätten", ein Beitrag zur Geschichte der belgischen 
Volkswirthschsßspdege. Diese Lehrwerkstätten (alelizrs man") verdankt Belgien dem 
Ministerium Rogier, des mit einem wohldurchdschten national-ökonomischen Plane zur 
Abhilfe des zunehmenden Peuperismus vor die Kammer trat und in der Sitzung vom 4. De- 
cunher 1847 die Zustimmung der Kammer dsfiir erhielt. Mit dieser Einrichtung hat Belgien 
"ein Muster aufgestellt, von welchem unserer Ueber-zeugnng nach eine Reform des Schul- 
wesens bei allen industriellen Völkern detiren wird". Die Weber waren die ersten, welche 
die Noth in die Lehrwerkstätten trieb; bald aber lernten sie es schätzen, dass men ihnen 
Gelegenheit bot, durch Erlernen vervollkommneter Arbeite-Methoden ihren Verdienst zu- 
gleich zu sichern und zu vermehren. Aus herahgekolnmenen, an der ererbten Methode 
klebenden vereinsamten Unternehmern wurden sie geschickte und besser bezahlte Mitglieder 
einer grossen und natürlichen Arbeitssssocintion, welche den Kampf mit der nusländischen
	        
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