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Bilder aus dem menschlichen Leben. Stylgetiihl prägt sich in allen, auch den unbedeutend-
sten Werken aus, zum ersten Male entstand eine wahrhahe Verbindung zwischen Kunst
und Industrie.
Sechste Vorlesung. Die Alexandrinische Zeit, welche die nationalen Grenzen
sprengt, einen weiteren Verkehr schatft, neue Städte in der Peripherie des bisherigen
Mittelpuuktes emporkominen lässt - Alexandrien, Antiochien, Selencia, Pergamon, Rhodus -,
ein Welthewusstsein ausbildet, bringt auch die Entartung der Kunst mit sich, welche der
barbarischen Richtung auf das Kolossale und Glänzende. dem EGect verfüllt. In der Ar-
chitektur hen-scht der korinthische Styl und neben ihm der jonische, in beiden tritt das Weich-
liche und Spielende in den Vordergrund. Die Privathänser werden mit offenen Bäulenslilen,
nach Parkanlagen hinausschauend, ausgestattet, und selbst Localitäten, welche nur vorüber-
gehenden Zwecken dienen, wie den Praehtzelten und Nilbarken der ptolomiiischen Fürsten,
wird eine reiche in Gold und Farben strahlende Decoration eliehen. In der Plastik sind es
namentlich die Schulen von Rhodos und Pergamon, welc e dem Streben nach dem Er-
schiitternden und durch blendende Virtuosität Ueberrascbenden Ausdruck geben. Ein
malerisches Element, der Gesichtspunkt des eigentlich Eeizenden, dringt in die Plastik ein
und im Gefolge dieser Wendung entwickeln namentlich die verschiedenen Zweige der Klein-
plastik sich zu glänzendewLeistnngen des Luxus und der Mode, sinken auch wohl zur
reinen Spielerei herab, wie das Viergespann aus Elfenbein, das von einer Fliege bedeckt
werden konnte, u. dgl. Dann beginnt der Luxus mit geschnittenen Steinen, Onyxen und
' Sardonyxen. Die Malerei wird zur wesentlich decorativen Kunst, die Vasemnalerei stirbt -
in Athen wenigstens - allniälig aus, die wirklich etruskischen, d. h. in Etrurien verfertigten,
nicht blos dort aufgefundenen Vasen sind gegen die griechischen unkiinstlerisch, roh.
Dagegen entwickelt sich zum höchsten Glenze das Mosaik, ferner die Glnstecbnik
und Goldschmiedeknnsf. Dieselbe Richtung von dem Grossen und Allgemeinen ab auf die
kleinlicheren Verhältnisse und Bedürfnisse des Hauses tritt uns auf's lebendigste in der
späthellenisehen Zeit oder in der römischen Renaissance entgegen, deren Welt uns durch
die Ausgrabungen in Unter-Italien erschlossen worden ist. Durch eine charakterisirende
Schilderung dieser pompejanischen Welt zeigte der Redner, wie jene Zeit völlig ü-ei und
genial mit den ihr überkommenen Motiven Griechenlands schaltete. Und darin - schloss
er - liege auch die Aufgabe für die moderne Zeit, die, gleich der Renaissance, nicht
sclsvisch nachahmen, sondern mit Zugrundlegung der von dem Hellenenthum gefundenen
Gesetze frei und schöpferisch vorgehen soll, um den ganz anderen Bedürfnissen, geistigen
Aufgaben und Beziehungen unserer Welt zu entsprechen, wie die Pompejaner es fiir ihre
Zeit thaten und die Renaissance für die ihrige.
Kleinere Mittheilungen.
(Correspondenz aus Graz: Ueber die Jnhresansstellung des sleierlnlirk.
Kunstinduslrievn-relnes und die beantragte Vereinigung des Gewerbe-, des
Knnstindustrie- und des KulnstvereIm-s.) hn März d. J. hielt der Knnstindustrie-
verein zu Graz seine zweite Ausstellung ab, u. z. diesnul in dem neuen Vereinsloenle,
welches sich bei dieser Gelegenheit in Beziehung auf Grösse, Eintheilurg und Einrichtung als
vollkommen entsprechend erwies. Die Ausstellung dauerte bis zum Schlusse des Monats,
und den Statuten gemäss war der Eintritt für die Vereinsengehörigen stets unentgeltlich,
für das übrige Pnblicum nur an Sonntagen und Donnerstsgen frei, an den andern Tagen
der Woche wurde ein Eintrittsgeld von H) Kreuzern erhoben. Trotz des geringen Eintritte
preises und der vielen interessanten und sehenswerthen Gegenstände, welche die Ausstellung
enthielt, war der Besuch leider ein äusserst spärlicher, woran wohl zum Theil die ungünstige
Witterung Schuld war, hauptsächlich jedoch das geringe Interesse in gewissen Schichten
des Publicnms, besonders bei den Gewerbetreibenden, die in einer solchen Ausstellung
noch immer nichts Anderes als eine Schanstelluug von Alterthümern erblicken und über
den Nutzen, den sie daraus schöpfen könnten, noch nicht hinreichend aufgeklärt sind.
Dsss nur wenige moderne Gegenstände, und selbst unter diesen Wenigen meist üemd-
ländische ausgestellt waren, findet ebenfalls seinen Grund in der Theilnahinlosigkeit der
Gewerbetreibenden, die voraussichtlich erst dann zahlreich dem Vereine beitreten und sich
sn dessen Ausstellungen hetheiligen werden, wenn ihnen durch das längere Bestehen und
Wirken desselben materielle Vortheile erwachsen werden, was natürlich erst dann zu
erwarten ist, wenn dessen Einfluss auf das übrige Publicuxn sieh dadurch zu äussern he-
ginnt, dass hiuügere Bestellungen mit strengen Anforderungen in Beziehung auf Geschmack
und deissige Ausführung gemacht werden.