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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe I (1866 / 9)

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Und doch ist gerade hier eine feste, regelrechte, stilvolle, in gewisser Weise ein- 
fache Zeichnung fast mehr noch als überall anderswo ein durchaus nothwendiges Erforder- 
niss der Aesthetik. Denn da die Kunstmittel, welche hier Ornament und Gnlnd in Gegen! 
satz stellen, sogut wie gar keinen Contrast bilden, weil sie ja nur in Weiss auf Weiss oder 
in dem Festen und Durchbrochenen bestehen, so kann ein klares, bestimmt gezeichnetes 
Muster ganz allein dem Auge die Ruhe geben; die ganz ästhetische Wirkung, du die Farbe 
wenigstens in den allermeisten Fällen wsgfällt, beruht allein auf der Schönheit der Zeich- 
nung. Diese aber finden wir, wenn wir die Vergangenheit des in Rede stehenden In- 
dustriezweiges prüfen, ganz allein in den Mustern des 16. und vom Anfange des 17. Jahr- 
hunderte. 
Wir müssen demnach auf diese zu "ckgehen, wollen wir die Regeneration des 
modernen Geschmacks, der gerade gegenwärtig eine Neubildung nach den guten, stilvollen 
Mustern der Vergangenheit anstrebt, auch auf unsern Industriezweig ausdehnen. 
Nun sind aber die erhaltenen Fabricate desselben aus der erwähnten Zeit sehr selten, 
wenigstens so selten, dass sie in ihrer vereinzelten Existenz so wenig den Fabriken wie 
der Privatarbeit von irgend ausgiebigem Nutzen sein können. An ihrer Stelle kann aber 
ein Ersatz aushclfend eintreten. 
Als nämlich im Laufe des 16. Jahrhunderts dieser Industriezweig in Blüthe kam, 
begleiteten seine Entwicklung und Erhebung in verschiedenen Ländern eine ziemliche An- 
zahl von Holzschnitt- und Kupferstichbüchern, welche in grosser Anzahl Muster darbieten, 
die sich noch heute fiir Spitzen, Weiss- und Buntstickerei, für durchhrochene Gewebe, für 
Bortenwirkerei und was dergleichen mehr ist, ganz vorzüglich verwenden lassen und zu 
dem angedeuteten Zweck der Besserung des Geschmackes besonders geeignet erscheinen. 
Zwar sind auch diese Bücher, davon man ein grösseres Verzeichniss bei Mrs. Pallinr, 
Hietory of Lace p. 427 E. findet, durch die Veränderung des Geschmackes in Verachtung 
gerathen, heutzutage äusserst selten geworden und zwar meist nur noch in dem einen 
oder dem anderen Exemplar vorhanden, welches der Zufall dem Untergang entrissen hat. 
Aber auch nur ein einziges Exemplar ist zum Zwecke genügend, da glie moderne 
Verbesserung und Erweiterung der Vervielfliltigungskiinste mit leichter Mühe und geringen 
Kosten durch eine neue Ausgabe die Erwerbung desselben üir Jedermann möglich macht. 
Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, hat das k. k. österreichische Museum für 
Kunst und Industrie, seinen Zweck, die allgemeine Verbesserung des Geschmacks, im 
Auge behaltend. sich veranlasst gefühlt, mit der Oopirung und Herausgabe eines der 
besten dieser Bücher, des Sibmachefschen Modellbuchs, den Anfang zu machen. Das 
Original ist sehr selten geworden; der antiquarische Preis, wenn es vorkömmt, beträgt 
80 Thlr. Jenes Exemplar, von welchem die Copirung gemacht wurde, gehört in die ans- 
gezeichneteu Sammlungen Sr. Excellenz des Hrn. Feldzeugmeistcrs Ritter v. l-lauslah, 
der es mit gewohnter Bereitwilligkeit dem Museum zu diesem Zweck zur Verfügung stellte. 
Die Copirung fand durchaus auf mechanischem Wege, durch Photographie und lithogras 
phiscben Ueberdruck in der riihmlichst bekannten und bewährten lithographiscben Kunst- 
anstalt von Reiffenstein und Rösch statt, so dass die vollständige Genauigkeit der 
Wiedergabe garantirt ist. . 
Das ganze Wierk, dessen Druck und Verlag die Buchhandlung von Carl Gerold's 
Sohn übernommen hat, besteht aus einem Vorworte, dem Titelhlatte und 35 Muster- 
blättern. Der Preis ist mit 4 d. ö. W. festgesetzt. Wir empfehlen dasselbe der Be- 
achtung der Privatarbeiter, der stickcnden Damen und auch insbesondere der. Zeichner in 
den Fabriken, welche wir auf die vielfache Verwendbarkeit der Muster nicht aufmerksam 
zu machen brauchen. Bei der Seltenheit und Kostspieligkeit des Originals dürfte die Re- 
production dieses an ornamentalen Motiven ausserordentlich reichen Stickmusterbuches auch 
Kunstfreunden und Sammlern sehr erwünscht sein. 
Vorlesungen im Museum. 
(Fortsetzung n" dem usuusm.) 
(Dr. v Llllzow über dir Geschichte der ornnmcnlnlen Künste bei 
den Griechen und Ilülnem.) Die zweite Vorlesung des Dr. v. Liitzow entwarf 
eine Schilderung der Kunstzustünde Griechenlands im homerischen Zeit- 
alter, so weit sich ein Bild derselben aus den Erzählungen des Dichters, den wenigen 
noch vorhandenen Bauruincn und. der Vergleichung mit annähernd gleichzeitigen Denkmalen 
anderer Völker gewinnen lässt. Der Vortragende bezeichnete den ältesten Zustand des 
griechischen Volkes als einen solchen, in welchem tiunische Leidenschaften und ein reger 
Sinn fir Gesetz und Sitte, steter Kampf um die ersten Grundlagen der Existenz und ein
	        
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