zum öftern bekannten epischen Dichtungen entnommen sind. Diese Käst-
chen mögen den Damen als Schmuck- und Arbeitskästchen gedient haben;
uns geben sie heute noch ebenso willkommenen Stoff für die Geschichte
der Kunst wie des Costüms und der Cultur. Von gleichem Werth und
gleicher Art sind einzelne noch erhaltene Spiegelkapseln mit zahlreichen
Figuren, die als Ornament unsere modernen Haudspiegel weit beschämen.
Die Italiener verwendeten im Mittelalter das Elfenbein zum Schmuck
grösserer Truhen, indem sie dieselben damit ringsum bekleideten. Diese
Truhen hatteuwahrscheinlich die Bestimmung, den Brautschmuek aufzu-
nehmen und gehörten somit selbst zur Ausstattung vornehmer Damen,
denn rimdum ist gewöhnlich im Elfenbein ein ganzer Brautzug, paarweise
Herr und Dame, dargestellt. Auch war es in Italien, wo man M viel-
leicht schon nach antikem, wenigstens byzantinischem Muster - das
Elfenbein zu malerischer Wirkung mitbenutzte, indem man es entweder
weiss oder auch gefärbt und mit anderen Stoden zu feinen Mosaikmustern
zusammensetzte, mit denen man die Leisten der erwähnten Brauttruhen,
dann aber überhaupt Kästchen und ganze Möbelstücke überzog. Diese
italienische Intarsio spielte in der Möbelschreinerei eine grosse Rolle, insv
besondere vor dem 16. Jahrhundert, als an die Stelle des malerischen
mehr das geschnitzte plastische Ornament trat. Nicht unwahrscheinlich
ist diese Mosaik im 16. Jahrhundert nach Indien hiniibergegangen, wo sie
noch heute - besonders in Bombay - in grosser Blüthe steht und mit
grossem Geschmacke geübt wird. Gegenstände dieser Art waren mehrfach
im Museum ausgestellt.
Bei der Masse der edlen Metalle, welche im I6. Jahrhundert der
Goldschmiedekunst zutloss, scheint der künstlerische Gebrauch des Elfen-
beins eine Weile abgenommen zu haben, dafiir lebte derselbe aber mit
dem Beginn des 17. Jahrhunderts in einer Weise wieder auf, welche
an Ausdehnung und Virtuosität alle Vergangenheit übertroffen zu haben
scheint. Zwar war der Kunststil in der Plastik zu jener Zeit kein reiner
und die natlualistische Richtung derselben ging auch auf das Elfenbein
über, aber mit ihr zugleich auch die tiefe Kenntniss der Natur, die in
diesem Stoff ott noch treuer und liebevoller erscheint. Der Grund dafür
liegt darin, dass die Miniatursculptur des Elfenbeins mit Nothwendigkeit
eine feinere und vollendetere Ausführung verlangt, während die grösseren
Sculpturwerke des 17. Jahrhunderts nur zu oft gerade die Vollendung, die
letzte Hand der Liebe vermissen lassen.
Diese erneute Elfenbeinschnitzerei des 17. Jahrhunderts blühte zu-
gleich in Italien, in Deutschland und in den Niederlanden. Was das
erstere Land betrifft, so brauche ich beispielsweise nur an Fiammingxfs
wohlbekannte reizende Kindergruppen zu erinnern, die in einem sehr
hohen Relief ausgeführt sind. In den Niederlanden scheint sich eine ganze
Schule von Elfenbeinschnitzern herausgebildet zu haben, so zahh-eich sind
11'"