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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe I (1866 / 11)

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die erhaltenen Gegenstände, Trinkgefasse aller Art, Reliefs, Gruppen, Ein. 
zeltiguren, Crucißxe u. s. w. Sie lehnte sich völlig an Rubens und seine 
Schüler an, ja sie scheint ganz von der hinreissenden Wirkung dieses 
grossen Meisters angeregt und beherrscht zu sein, so sehr ist sie von 
seinen und seiner Schüler Compositionen, von ihrer Behandlung der For- 
men, kurz von der ganzen Kunstweise dieser Schule abhängig. Zu manchen 
Elfenbeinschnitzwerken haben sich noch in Handzeichnungen die Original- 
compositionen von bekannten niederländischen Meistern erhalten. 
Die Hauptsitze deutscher Kleinkunst, zumal Nürnberg und Augs- 
burg, wetteiferten mit den Niederlanden in Elfenbeinarbeiten und zeigten 
sich darin von dem gleichen Kunststile beherrscht. Alle Kunstcabinette 
sind voll solcher höchst bewundernswürdigen Werke und besonders sind 
es das grüne Gewölbe in Dresden, wie die Schatzkammer in Wien, welche 
sich durch den Reichthum und die Schönheit ihrer Elfenheinschnitzereien 
auszeichnen. In letzterer befinden sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch 
Arbeiten des Kaisers Leopold, der an dieser edlen Kunst grosses Ver- 
gnügen fand. Unter den Privatsammlungen ist gewiss diejenige des Freih. 
A. von Rothschild in Wien gerade durch Meisterwerke des l7. Jahr- 
hunderts einzig in ihrer Art. Dieser kunstsinnige Sammler hat mit feinem 
und richtigem Gefihl hierauf einen grossen Werth gelegt. Das Nonplusultra 
aber der Elfenbeinschnitzerei dürfte der reg. Fürst zu Liechtenstein 
besitzen, eben jene Eingangs erwähnte Trinkkanne, ein Werk des Tirolers 
Mathias Rauchmüller vom Jahre 1676. 
Rauchm üller war eigentlich ein Bildhauer, der mehr im Grossen 
arbeitete und in dieser Weise eine Zeit lang in Wien beschäftigt war, wo 
er den Titel eines kaiserlichen Hofbildhauers erhielt. Später arbeitete er 
in Prag und Breslau, an welchen Orten noch verschiedene Statuen von 
ihm vorhanden sind, wahrscheinlich auch am Rhein, wo man an mehreren 
Orten noch Werke von ihm zeigt. Dass er auch die Bildhauerei im 
Kleinen mit grosser Vorliebe getrieben haben muss, zeigt die ganz ausser- 
ordentliche Geschicklichkeit, mit welcher das in Rede stehende Werk aus- 
geführt worden ist. Es enthält ringsum in einem sehr hohen Relief wild 
baeehantische Scenen und Kjndergruppen, wobei fliegende Gewänder und 
Hatternde Bänder oft frei durchbrochen gehalten sind. Man weiss nicht, 
was man mehr an dem Werke bewundern soll, die Virtuosität und Voll- 
endung der Arbeit, das Studium und die getreue Wiedergabe der mensch- 
lichen Körperformen, oder die Kenntniss des Reliefs, die Morbidezza des 
Fleisches. Freilich einen reinen oder idealen Stil darf man bei ihm nicht 
suchen; das Werk trägt den Naturalismus seiner Zeit zur Schau, aber 
die Manierirtheit, welche damals schon die religiöse Kunst auch in den 
Elfenbeinarbeiten angesteckt hatte, lässt es nur in Ueberladung erkennen 
oder in übertriebener Bewegimg, die übrigens hier bei dem gewaltsamen 
Gegenstande auch einigermassen gerechtfertigt erscheint. Auch in anderen
	        
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