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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe I (1866 / 11)

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unzerstürbaren Stempel des Vorzugs an sich tragen. Mögen iiussere Verhältnisse noch so 
ungünstig einwirken, mögen Kriege, Revolutionen verwüstend über die Bevölkerung und 
das Cspital dieser Länder hinziehen, kaum ist eine ruhige Periode eingetreten, so er'- 
wachen die alten Künste und Fertigkeiten wieder, und der menschliche Fleiss beginnt auf's 
Neue erfolgreich sein mühsames, aber auch den höchsten Lohn in sich selbst tragendes Werk. 
Zn diesen begünstigten Strichen unseres Welttheils gehört Belgien. 
Seine Lage zwischen England, Frankreich und Deutschland, sein Boden, welcher 
der Landwirthschaft viele Vortheile bietet und grosse Lager von Kohlen und Eisenerzen 
in seinem Schoosse triigt, eine Bevölkerung endlich, die aus zwei sehr verschiedenen, aber 
für die Arbeit gleich befähigten Stämmen zusammengesetzt, inr vlämischen Theil mit der 
niederdeutscheu Ausdauer noch rheinfränkisches Kunstgeschick, und im Südwesten mit 
wallonischer Willenskraß französische Gewandtheit verbindet, - das sind die Elemente, 
auf welche gestützt dieses merkwürdige Land regelmässig ein blühendes Erwerbsleben ent- 
wickelte, so oh es durch Glück oder eigene Thatkraft eine Verwaltung fand, die ihre erste 
Aufgabe in der Förderung des Volkswohles erblickte. 
Die Bliithezeit der Gane, die man jetzt unter dem Namen Belgien begreift, fällt in 
die Zeit vom 13. bis 16. Jahrhundert. Damals theilten sich diese niederländischen Theile 
des lockern deutschen Reichsverbandes mit den mächtigen Städten der Hanse in den Welt- 
handel, denn ein Gegensatz zwischen den Niederländern und den Hanseaten bildete sich 
erst gegen Ende des Mittelalters; in Bezug auf industrielle Production und Kunstfertigkeit 
standen jedoch die belgischen Niederlande vor den Hanseaten entschieden voraus. Aus 
jener Zeit stammen die herrlichen Dome, die stolzen Rathhiiuser und alle die berühmten 
Kunstschlitze, die wir noch heute als stumme Zeugen der Macht und des Beichthums der 
vldmischen Städte inAntwerpen, Gent, Brügge, Löwen n. a. Orten bewundern. In Brügge 
allein bestanden 15 grosse Handelsgesellschaften und 66 Zünüe, welche letztere weit rich- 
tiger mit grossen Productionsgenossenschaiten, als mit den später entarteten „Zü.utten" zu 
vergleichen sind. Ebenso war Brügge ein Weltmarkt wie damals nur noch Constantinopel; 
Antwerpen, zugleich das Liverpool und Manchester der damaligen Zeit, sah oft an einem 
Tage die Scheide von 500 Schiden befahren; darf man zeitgenössischen Nachrichten Glauben 
schenken, so wurden in dieser Stadt in einem einzigen Monat soviel Geschäfte abgeschlossen, 
als in dem damals gleichfalls hochberühmten Venedig in zwei Jahren. Namentlich war 
und sich von dort über Europa verbreiteten. 
Allein dieser glänzenden Entwickelung fehlte die Sicherheit. Das deutsche Reich, 
ein zwar schwer-fälliger, aber immerhin in seinen Theilen kraftvoller und durch alte Würde 
imposanter Körper, wurde in seinem Zusammenhang mehr und mehr gelockert, und da- 
durch verlor die städtische Freiheit und der städtische Wohlstand in ganz Mitteleuropa 
directen Schutz gewährt. Viele Jahrhunderte lang konnte es keinem auswärtigen Feind 
gelingen, sich auf deutschem Boden festzusetzen. und die Kriege trugen daher mehr den 
Charakter localer Fehden. Aber mit dem Zerfall des Reiches hörte dies auf, und aus- 
wärtige Einmischungen, Eroberungen und furchtbare innere Zerwiirfnisse brachen über die 
mitteleuropäischen Länder herein. _ 
Nicht ohne ein Unrecht gegen Deutschland trennte Karl V. die Niederlande vom 
Reiche ab und schlug sie zu einer spanischen Erbportion. Die nördlichen Provinzen (Hol- 
land) rissen sich später los; Belgien aber blieb 160 Jahre lang eine spanische Provinz. 
Erst im J. 1718, durch den Utrechter Frieden, fiel Belgien an Oesterreich zurück. Achtzig 
Jahre dauerte diese Verbindung, die im Ganzen liir beide Theile eine segensreiche war. 
Unter dem weisen Scepter Maria Theresiais trat für Belgien eine seit den glänzenden 
Tagen des Mittelalters unerreichte Bliithe ein. Wie Maria Thcresia überhaupt bestrebt 
war, die Sicherheit ihrer ziemlich zerstreuten Besitzungen auf die Zufriedenheit und den 
Wohlstand der Bewohner zu gründen, so rühren auch manche vortreffliche Ein- 
richtungen der belgischen Volkswirthschaftspfege, z.B. die ersten Zeichen- 
schulen, von dieser grossen Herrscherin her. 
Umgekehrt wusste Maria Theresia die Bildung und die Kenntnisse der Belgier zum 
Vortheil der Erhlande zu verwerthen. Es ist bekannt, dass eine Reihe bedeutender Männer 
und heute noch in Oesterreich blühender Familien aus den belgischen Niederlanden stammt; 
ebenso erzählt die Indnstriegeschichte, dass durch belgische Einwanderer zahlreiche neue 
Industriezweige oder Verbesserungen bestehender Gewerbe nach Oesterreich verpflanzt 
wurden. Aber diese Verbindung, schon vorher gelockert durch Missverständnisse , wurde 
durch die französischen Revolntionskriege zerrissen und auch im Jahre 1815 leider nicht 
wieder geknüptt.
	        
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