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aber immer noch Zweifel übrig lassen, treten etwa seit dem 6. oder 7.
Jahrhundert auf ; die eigentliche, durch die Gegenstände selbst datirte
Bliithezeit beginnt aber erst im 10. und umfasst noch das ll. und 12.
Jahrhundert.
Die byzantinische Weise, davon die Beispiele gegenwärtig höchst
selten geworden sind, kennen zu lernen, dazu sind die erwähnten Buchein-
bände, welche die Manns-Bibliothek dem österreichischen Museum zur Aus-
stellung geliehen hat, höchst geeignet. Es sind ihrer iiinf, sämmtlich mit
Emailplatten verziert, die nicht aus einer Zeit stammen und Restaurationen
erlitten haben, so dass sie sogar noch Varianten der Schmelztechnik bieten.
Das eine Stück derselben, entschieden das älteste und wohl dem 10. Jahr-
hundert angehörend (Katalog Nr. 195), hat sogar noch eine Umfassung
mit eingefassten Glasstücken, gerade wie die Goldschmiedarbeiten den:
WestrGmthen aus dem 6. und 7. Jahrhundert.
Die Eigenthümlichkeit des byzantinischen Emails besteht zunächst
darin, dass das Metall, welches den Fond bildet, Gold ist und nicht Bronze
oder Kupfer, wie bei dem älteren oeeidentalen und dem barbarischen
Email. Zur Aufnahme des Sehmelzllusses sind nicht Vertiefungen ein-
gegraben, sondern es sind ganz dünne, haarfeine geplattete Golddrähtchen
genommen und diese sind so auf den Goldgrund aufgelöthet, dass sie die
äusseren und inneren Contouren der Zeichnung ergeben. Durch diese
Drähte, die trennende Wände oder Verschläge (cloismzs) bilden, sind Vers
tiefungen entstanden, welche, wie Theophilus in seiner nschedula" lehrt,
mit der Schmelzmasse in pulverisirtem, aber angefeuehtetem Zustande
ausgefüllt wurden. So kam die Platte in den Ofen und die Masse gericth
in Fluss. Dies Verfahren wurde wiederholt, indem bei dem Zusammen-
sehwinden des Emailstodes im Feuer immer neue Masse zugesetzt werden
musste, bis die Vertiefungen .oder „Zellen" ganz mit dem verhärteten
Email ausgefüllt waren. Dann wurde die Platte polirt und die Emailtafel
war fertig. v
Die Franzosen haben diese Schmelzart Email claisonnä genannt und
deutsche Archäologen gleich treffend dafür den Namen „Zellenschmelü
aufgebracht. Ihre Weise kann man, wie gesagt, an den Buchdeckeln der
Marcianischen Bibliothek (Kat. Nr. 195 bis 198), die durchaus byzantini-
schen Ursprungs sind und in der Hauptsache der Zeit vom 10. bis zum
12. Jahrhundert, also gerade der Blüthezeit, angehören, ganz vorzüglich
studiren, um so mehr, als einige Stellen ausgesprungen sind. Der Grund
ist golden gelassen und nur die Figuren sind emaillirt. Man bemerkt
dabei, dass die zellenbildenden Goldstreifen von äusserster Feinheit sind
und dass das Email eine gewisse Durehsiehtigkeit hat, wodurch die
blauen Farben vermöge des danmterliegerxden Goldes ausserordentliches
Feuer und die Fleischtönc ein höchst angemessenes Lustre gewinnen.
Ueberhsupt sind diese Emails Meisterstlicke ihrer Art.