81
Die Regulirung der Donau bei Wien.
Hierzu Tafel II.
Genesis. Die weite Ebene, in welche die Donau oberhalb
der Stadt Wien zwischen dem Kahlenberge und Bisamberge
eintritt, und welche sie zwischen Hainbarg und Theben an
der ungarischen Grenze wieder verlässt, war, historischen
Nachrichten zufolge, schon seit Jahrhunderten vielfach von
Ueberschwemmungen heimgesucht. Die Ursache lag zumeist
in der Verwilderung des Stromes, der, sich selbst überlassen, in
dem wenig widerstandsfähigen Boden mehrfache Rinnen bildete
und so die Kraft verlor, seine grossen Geschiebsmassen, wie
in einem conceutrirten Bette, zu bewältigen; es entstanden
in den Rinnsälen Verflachungen und sehr häufig Eisstopfungen.
Obwohl die hierdurch herbeigeführten Ueberschwemmungen
meilenweit Flächen verwüsteten, so wurde dennoch kein Ver
such gemacht,_ dieselben zu verhüten; die öffentliche Sorgfalt
concentrirte sich vielmehr nur auf die Erhaltung der Schiff
barkeit des einen Armes, des Wiener Donaucanales.
Die Mittel, welche hierbei angewendet wurden, nämlich
die Verengung des gesammten Stromprofiles an der Abzwei
gungsstelle des Donaucanales durch den Damm a und die
Leitung des Stromstriches vom linken Ufer gegen die Canal-
Mündung durch Erbauung der declinanten Buhne b, führten
zwar zu dem gewünschten Ziele, vergrösserten jedoch, da sie
bei Hochwasser auch einen Stau bewirkten, die Gefahr für die
Stadt Wien.
Erst im Jahre 1810 und zwar in Folge der Absicht, die
bis dahin stets bedrohte Verbindung mit dem westlichen Theile
des Reiches durch eine stabile Brücke zu bewirken, wurde
die Ausführung der Donauregulirung in dem jetzigen Sinne
angeregt; seither wurde sie nach jeder Ueberschwemmung,
besonders lebhaft nach der traurigen Katastrofe im Jahre 1830,
erörtert, jedoch in Folge der Uneinigkeit der massgebenden
technischen f actoren erfolglos.
Durch die eminent volkswirthschaftliche Bedeutung der
frage veranlasst, berief im Jahre 1850 der geniale Handels-
minister Br uck eine Commission, der als Berathungs-Programm
ie eigentliche Stromregulirung, die Umgestaltung des Wiener
i , “ naleS aus einem . natürlichen Arme in einen künstlichen
öchiflfahrtscanal und die Herstellung einer stabilen Brücke
über die Donau vorgezeichnet wurde.
Diese Commission kam in der Majorität zu dem Beschlüsse,
die Donau sei mittelst eines Durchstiches in einem sanften
Bogen von der Einmündung bis zur Ausmündung des Canales
in einer Normalbreite von 380“ zu führen; alle Seitenarme,
Technischer Führer durch Wien. (J