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Zweitex- Jahrgang. d e s 15. April 1867.
k. k. österr. Museums für Kunst 8. Industrie.
(Monatschrift für Kunst 81. Kunstgewerbe.)
(Am 15. einen jeden Monats erscheint eine Nummer. - Abonnementspreis per Jahr 8 B. ö. W.
Revlecüeur Dr. G. Thu. Expedition von C. Garoldü! Sohn. Mm: abonnirt im Museum, bei
C. Gerold": Salm, durch die Postnnstalben, sowie durch alle Buch- und Kunethandlungeu.)
luhnlt: m. Epochen der Seidenlndunrie. - Imitationen von Druckwerken du xvx. Jahrhundert!- -
m. Aullßllungun von Zeichnungen und lodellinrbelteu der gewerblivhcn Zelchenlchulon. -
xmum llttheilungeu. - Neun Erwerbungen der Ornlmentltiohsammlung. (Schluss) - lnierltr
Die Epochen der Seidenindustrie.
J. F. Die Cultur der Seide ist in bestimmten Zeiträumen von Osten
nach Westen gewandert und hat so auf verschiedenem Boden eine Reihe
von Epochen gebildet, deren jede ihren bestimmten Kunstcharakter hat.
Wenn wir die Seide als dasjenige organische Product betrachten,
welches jene Raupe erzeugt, die sich von den Blättern des Maulbeerhaurnes
nährt - und hierauf müssen wir wohl die Anwendung des Wortes be-
schränken, - so ist die erste Periode der Geschichte der Seidenindustrie
eine innerhalb der Grenzen Chinas völlig abgeschlossene, und zwar dauerte
sie bis in das dritte oder zweite Jahrhundert vor Christi Geburt. Man hat
vielfach darüber gestritten, ob nicht die Indier, die Perser, die Assyrier
früher schon die Seide gehabt oder mindestens aus chinesischem Export
gekannt hätten, und man hat sich auf einzelne Stellen indischer Schriften
sowie auf die Bibel berufen. Diese Stellen aber beweisen nichts, weil sie
eine andere und richtigere Auslegung zulassen, und sodann widersprechen
alle Thatsachen dieser Annahme. Die chinesische Geschichte kennt die
Berührungen dieses abgeschlossenen Landes mit seinen Nachbarvölkern
erst seit dem dritten Jahrhundert vor Christi Geburt, nachdem nach lan-
ger Zertheilung und Zerspaltung das himmlische Reich sich wieder in ein
Ganzes vereinigt hatte und dadurch in eine neue Culturbewegnng, die
selbst erobernd auftrat, gerathen war. Die chinesischen Nachrichten leug-
nen his dahin allen Export der Seide, vor allem aber ist nach ihnen ein
Bekanntwerden der Seidenzncht und des chinesischen Verfahrens, den Roh-
stoff von den undurchbohrten Cocons abzuwinden, über die Grenzen China's
hinaus ganz undenkbar. Gewiss, hatten die Indier und die Perser schon
damals die Seidenzucht gehabt, so wäre sie bei den vorhandenen Verbin-
dungen langst vor der Zeit Justinians im Abendlande bekannt gewesen,
und hätten sie auch nur die chinesischen Seidengewebe gehabt, so wären
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