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mit figürlichen und ornamentalen Schnitzereien, Eisenarbeiten, englisches Glasgeräth aus
der Fabrik Miuton Webh, Fayence-Gegenstände, türkische Decken, Bnchbeschläge aus
Bronze, die dritte Serie der vom Museum herausgegebenen Photographien, 43 Blätter von
Photographien nach Objecten des Musee retrospective in Paris, ein Exemplar des vom Mu-
seum edirten Werkes "Umrisse antiker Thongeflisse" und eine Reihe von Gypsabgiissen
nach im Museum ausgestellten Gegenständen leihweise zugernittelt.
(Vorlesungen Im Museum.) Wir heben aus den mit grossem Beifalle aufge-
nommenen vier Vorträgen des Custos Falke „über die Geschichte der Weberei und
Stickerei vom Standpunkte der Kunst", welche am 28. März ihren Abschluss
fanden, im Nachstebenden das Wichtigste hervor. - Die Geschichte der Stickerei und
Weberei ist so alt wie die Culturgeschichte überhaupt. In der fernsmn Vergangenheit
sehen wir bereits die vier Hauptstolfe, zu denen sich im Laufe der Jahrtausende kein Ri-
vsle gefunden hat, Seide, Wolle, Flachs und Baumwolle. zu den feinsten Gespinnsten ver-
arbeitet. Die Stickerei unterscheidet sich von der Weberei nur in der Entstehung, indem
letztere Grund und Omamentation gleichzeitig und nur auf mechanischem Wege erzeugt,
erstere den vorhandenen Stoff mittelst freier Handarbeit verziert; dort ist das Kunstmittel
die Farbe, hier Linie, Licht und Schatten, oder kurz gesagt, die Falte, wonach jene
als malerische, diese als plastische Art der Verwendung des Gewebes zu bezeich-
nen ist. Anfangs traten beide Kunstprincipien getrennt auf, das erstere im Orient, das
andere in der g-richisch-italienischen Welt, um jedoch bald in Theorie und Praxis durch-
einander zu spielen.
Die ältesten Bildwerke der Egypter zeigen uns diese mit dem Schurz oder einem
langen Hemde bekleidet, beide eng anliegend, aus Leinwand, einem weder der plasti-
schen Ornamentation, noch dem farbigen Schmucke günstigen Materials. Steif und farblos
blieben auch die Gewänder, als sie in spätem Perioden bei den Vornehmen länger und
weiter wurden. Bei den Juden finden wir zuerst stoiireicbere, aber noch nicht künstlich
drspirte Gewänder. In Assyrien ist die Gewandnng weit, aber faltenlos, weil von dickem
und yersteifttem WollenstoE. Weberei und Stickerei stellen sich in der Ornamentation schon
hohe Aufgaben, erreichen aber das Höchste in der Weberei jener assyrisch-babylonischen
Teppiche, von deren Stil uns die Alabasterrcliefs der Paläste von Ninive eine Vorstellung
geben können. Anf dem Boden der griechisch-asiatischen Cclonien gesellt sich
zuerst zu der orientalischen Pracht, Massenhaftigkeit und Steifheit ein neues Princip:
durch eng anliegende Gewandung gelangt die Schönheit der Körperformen zur Mitwir-
kung, wenn auch anfangs durch reiche und bunte Verzierung wie Bestickung dem Auge
wieder verdeckt. Dieselbe Tracht war auch die der Griechen in der ältesten Zeit, die
jene erst abstreißen, als nach den Perserkriegen Leben, Sitte und Kunst sich von
orientalischen Traditionen befreiten und einen selbstständigen hohen Aufschwung nahmen.
Die gymnastischen Spiele schiirften das Auge für die Schönheit der Form und geben
dem Manne Anlass, das Unterkleid abzulegen und sich mit dem Mantel zu begnügen, des-
sen feiner Wollenstod allein dem freien, ruhigen Fluss der Falte günstig ist. Die Ausbil-
dung des Sinnes fiir das Classische drängte die Farbenpracht zurück, die Ornamenta-
tion wurde auf die Siiume der Mäntel beschränkt, neben denen nur einfarbige Kleider Sitte
blieben. Dieses Kunstprincip der Drapirung ging mit den Siegen Alexanders nach Asien
hinüber und liess sich dauernder in Italien nieder. Noch strenger als die Griechen ver-
warfen die Römer farbige Stoße und führten die gestickten Säume auf den einfachen
Purpnrstreifen zurück. Um so weiter und massiger wurde die Gewandung und die Falten-
legung der Togo, die gewebte und gestickte Decoration sah sich fast susschliesslich auf
Decken und Teppiche beschränkt, der Stil der Ornamentat-ion scheint durch den Orient
beherrscht werden zu sein. Erst gegen Ende der Republik kam die Farbe wieder zur Gel-
tung: Cäsar verwandelte zuerst die weisse, purpurgesäumte Togo. in eine ganz pupume und
selbst Mäntel von Goldstotf kamen auf, wie sie der Orient liebte.
Eine wirkliche Revolution aber bewirkte das Auftreten der Seide, deren Charak-
ter eben so malerisch, wie der der Wolle plastisch ist. In China, und dort. allein, war an-
geblich schon fast 27 Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung die Kunst bekannt, das Ge-
spinnst des Seidenwurmes mit weissen Cocons in Fäden sbzuhaspeln. Aber erst seit derKriegs-
expedition nach dem Westen Asiens und dem in Folge dessen entstandenen Handelsver-
kehre zwischen dem Reiche der Mitte und Europa kam die Seide zu uns, aber nur in ferti-
gen Stoßen, gewann trotz der hohen Preise grosse Verbreitung und drang aller Verbote
ungeachtet in den Gebrauch der christlichen Kirche ein. Wie unter dem Einfluss der Seide
die in ihrer Form beibehsltenen Gewänder einen ganz anderen Charakter erhielten und
wie die Lust an Ornamentation und Farbenpracht sich wieder bis zur Uebertreibung gel-
tend machte, lehren die Gemälde der Byzantiner und die Reliefs von Persepolis. Heimat
der Teppichweberei wurde Persien unter den Sassaniden und von dort kamen in
das Abendland jene phantastischen Tbiergebilde, die entsetzlichsten Gestalten das indi-
schen Cultus, die auf den KleiderstoGen von Seide zu einfachen Mustermotiven herabsan-