325
voll. Erst im 17. Jahrhundert gestaltete sich das Ornament wieder gross-
artiger, aber in jener pompösen, überladenen, zugleich sinnlosen und un-
schönen Weise, welche die Zeit und den Geschmack Ludwigs XIV.
charakterisiren. Damit kam die französische Seidenweherei, deren Mittel-
punkt Lyon wurde, zur Herrschaft und blieb auch so vorwiegend, indem
sie beide, die niederländische wie die italienische Concurrenz. besiegte,
dass man die fünfte oder moderne Periode seit dem 16. Jahrhundert die
französische nennen muss. Der Wechsel des Geschmacks im 18. Jahr-
hundert, der Uebergnng von der schwülstigen Barocke zum gezierten Ro-
coco machte darin keinen Unterschied; die Franzosen wussten sich an
der Spitze zu behaupten und wurden auch von dem Stuss, der sie durch
den antikisirten Geschmack am Ende des 18. und am Anfang des 19. Jahr-
hunderts traf, nicht gestürzt. Mit Glück bemächtigten sie sich wieder der
modernen Blumenomamentation, und erst die Rückkehr, welche die Ver-
zierung der Seidengewebe in der jüngsten Zeit auf die stilisirten Muster
des Mittelalters oder auf orientalische Motive nimmt, scheint die ti-anzö-
sische Herrschaft wankend zu machen. Indess sind das Dinge, in deren
Process wir uns gerade befinden.
Imitationen von Druckwerken des XVI. Jahrhunderts.
Man ist heute geflissentlich in verschiedener Weise darauf bedacht,
die Buchausstattung zu verschönern. Man war dahin gekommen, dem
Papier die möglichste Weisse und Glätte zu geben, aber als man das er-
reicht hatte, sah man ein, dass in der blendenden, das Auge verletzenden
Weisse keineswegs die Schönheit liege, nnd man hat daher, namentlich
in England, versucht, dem Druckpapier wieder einen gewissen farbigen
Ton zu geben. Man hat anstatt des grauen Tons des alten geschöpften
Handpapiers dafür ein mildes, gebrochenes Gelb gewählt, welches auch
ohne Frage dem Auge einen angenehmeren Eindruck macht als das grelle
Weiss, und die Deutlichkeit der Buchstaben eher erhöht als verringert,
weil es die Blendung verhindert.
Ebenso hat man an der Form der Lettern herumgekünstelt und ins-
besondere die lateinischen Typen zierlicher und gerundeter gemacht, ihre
Linien verfeinert und sie in ihrem Schwunge und im Uebergange von den
breiteren zu den zarteren Stellen etwa wie die Linien eines Kupferstiehs
behandelt. Dadurch sind die Züge aber meist zu mager geworden, um
schön zu sein, und haben gleichzeitig an Deutlichkeit eingebüsst. Die
Schwärze der Striche verlor das richtige Verhältniss zu dem weissen
Raume, der sich zwischen ihnen befand.
Man ist deshalb, wie bei so mancher Kunstthätigkeit der Gegenwart
wiederholt auf das sechszehnte Jahrhundert und seine lateinischen Lettern