Seite 204
Internationale S a m m 1 e r - Z e i t u n g.
Nr. 13
Luftschiff »Sachsen« über Wien erschienen. Die Bevölkerung
der Millionenstadt Jubelte dem greisen Erfinder zu. der während
seines zweitägigen Aufenthaltes in Wien' vom Monarchen und
von der Kommune mit Ehren überhäuft wurde. Die Erinnerung
an das denkwürdige Ereignis hält eine mit überraschender
Schnelligkeit fertiggestellte Medaille fest, die in prägnanter Aus
führung auf der Vorderseite ein gelungenes Porträtrelief Zep
pelins bringt. Auf der Rückseite sieht man die »Sachsen«
über Karlskirche und Stephansdom dahinschweben, indes sich im
Hintergrund das Häusergewirr Wiens verliert. Die Umschrift
des Averses lautet: »Graf Ferdinand Zeppelin«, jene der Revers
seite: »Erinnerung an den Besuch in Wien. 9. Juni 1913.« Der
Name des Schöpfers der Medaille (K. Goetz) ist mit freiem
Auge kaum zu entziffern; fast zu viel Bescheidenheit für einen
Mann, der viel Talent zeigt, wenn er auch das Porträt nicht
nach der Natur, sondern nach einer älteren Photographie
modelliert zu haben scheint. Den Vertrieb der Medaille, die in
Bronze und Silber geprägt wurde, hat die Wiener Münzhandlung
D Kallai.
Philatelie.
(Neue russische Marken.) Am 1. Juli erhält
Rußland, wie uns aus St. Petersburg geschrieben wird,
wiederum neue Postwertzeichen. Der Verband der »Wahren
russischen Männer«, der einen Feldzug gegen die neuen
Jubiläumsmarken eröffnet hatte, weil er in der Abstempelung
der Kaiserbildnisse eine Entweihung der russischen Monarchen
erblickte, hat gesiegt. Die erst vor vier Monaten in Umlauf
gesetzten Marken werden eingezogen und durch neue gleichen
Formats ersetzt werden, welche an Stelle der Herrscherbilder
das Russische Reich als allegorische Figur dargestellt tragen
sollen.
(Briefmarkenp.r.eis e.) Die Zeiten, da die Brief
markensammler die ihnen fehlenden besseren Marken im Wege
des direkten Tausches von gleichgestimmten Seelen erwerben
konnten, sind vorüber, und wer heutzutage seine Sammlung
einigermaßen auf der Höhe halten will, der muß oft recht tief
in die Tasche greifen. Daß auf dem Gebiete des Briefmarken
sammelns eine Wendung eingetreten ist, das beweist auch der
Umstand, daß in neuerer Zeit sich bei uns die in Frankreich
und England schon länger bekannten Bricfmarken-
Auktionen einbürgern, auf denen man die fehlenden Stücke
zu erwerben vermag, falls den Bietenden nicht vorher der Atem
versagt. So haben in den letzten beiden Monaten in Berlin
zwei derartige Auktionen stattgefunden, die von Berliner Brief-
markenhändlern arrangiert wurden. Die erste hielt sich, was
Material und Preise anbetrifft, noch in ziemlich engen Grenzen.
Es lagen iti der Hauptsache Marken der ehemaligen deutschen
Einzelstaaten sowie deutsche Kolonialmarken zur
Versteigerung aus. Unter den altdeutschen nahm das größte
Interesse die seit langen Jahren schon immer an erster Stelle
begehrte sächsische rote Dreipfennigmarkc vom Jahre 1850 iti
Anspruch, die bis auf 440 Mark getrieben wurde. Bergedorf
4 Sgr. erzielte 363 Mark und zwischen 50 und 100 Mark wurden
sehr viele altdeutsche Marken versteigert, zum Beispiel solche
von Mecklenburg, Oldenburg, Württemberg, Hannover, Lübeck.
Auch deutsche Kolonialmarken steigen immer mehr in ihrer
Beliebtheit, und dem entsprechen die erzielten Preise. So ging
eine Dreipfennigtnarke von Deutsch-China vom Jahre 1898 für
360 Mark fort, ein Doppelaufdruck der deutschen Levante,
25 Piaster, brachte sogar 540 Mark, die provisorischen Fünf
pfennigmarken von Kiautschou (Zehnpfennigmarken mit einem
entsprechenden Aufdruck) kamen in ihrer seltensten Type auf
365, bezw. 385 Mark, während diese Marken in ihrer gängig
sten Sorte sonst für 6 bis 10 Mark zu haben sind. Die in
Tientsin während der Boxerwirren durch Aufdruck hergestellten
Marken erzielten außerordentliche Preise; so kam die
50 Pfennigmarke auf 450 Mark, die zu 30 Pfennig auf 190 Mark.
War diese Auktion schon interessant, so steigerte sich das Inter
esse noch bedeutend bei der zweiten. Auf dieser kamen auch
zahlreiche gute, vorzüglich erhaltene außereuropäische
Marken zur Versteigerung, welche enorme Preise erzielten. Als
wertvollstes Stück kam eine Marke unter den Hammer, die,
dem Katalog nach, nur in diesem einen Stück bekannt ist. Es
war eine Marke von British-Guayana vom Jahre 1850
zu 4 Cent; im Senfscheu Kataloge wird diese Marke mit
500 Mark bewertet, sie erzielte aber 3410 Mark! Auch Marken
von Bergedorf, die im Katalog lose mit 50 bis 70 Mark ange
zeigt werden, erzielten auf Brief Preise von mehr als 350 Mark,
und ein anderes, sonst mit 70 Mark bewertetes Stück kam auf
1205 Mark. Sachen 3 Pfennig war in einigen Stücken auf ganzen
Briefen vorhanden, die für 720 und 1001 Mark fortgingen, ein
Doppelstück kam auf 1485 Mark. Zwei zusammenhängende
Marken zu I Schilling von Mecklenburg-Schwerin erzielten
1661 Mark, Oldenburg, Fünferstreifen von 3 Gr., 550 Mark.
Sehr gute Preise, durchwegs 500 bis 1100 Mark, brachten auch
die ersten Marken der Schweizer Kantone. Ferner erzielte
ein sehr schön erhaltenes Doppelstück von Württemberg
(70 Kreuzer) den Preis von 495 Mark. Neapel, Natal, Mauritius,
Toskana, Ceylon und Buenos-Aires in ihren Seltenheiten
erreichten Preise von 500 bis nahe an 2000 Mark.
Uhren.
(Morgan als Uhrensammler.) Im »Berliner Tag
blatt« erzählt M a r f e I s von dem kürzlich verstorbenen Pier-
pont Morgan: »Durch meine Beziehungen zur Uhrmacherei
hatte ich in fünfundzwanzig Jahren eine Kollektion alter Taschen
uhren zusammengebracht, die das Allerbeste darstellte, was die
Uhrmacherkunst des 16. und 17. Jahrhunderts geschaffen hatte.
Den Gedanken, mich von diesen Schätzen zu trennen, hatte ich
stets weit von mir gewiesen, doch es ging mir schließlich wie
den meisten Sammlern. Ich war mit der Zeit sehr anspruchsvoll
geworden, es konnte mir nur noch das Allerschönste und Aller-
seltenste gefallen, und dies zu erwerben, überstieg schließlich
meine finanzielle Kraft. So blieb mir nur die Wahl, entweder
das Sammeln aufzugeben oder meine Kollektion zu verkaufen
und von neuem zu beginnen. Ich wählte das letztere und ließ
schließlich, nachdem ich mich überzeugt hatte, daß die deutschen
Museen in ihren Mitteln zu knapp gehalten sind, Morgan die
Sammlung anbieten. Dieser ließ durch einen Pariser Händler
etwa vierzig Uhren zu einem sehr hohen Preis ankaufen. Als
Morgan ein Jahr später, wie alljährlich, nach London kam, er
bat ich schriftlich eine Unterredung, die mir bereitwillig
gewährt wurde. Eines Tages sprach ich in seinem Hause gegen
über dem Hydepark vor. Ich wurde in das Wohnzimmer geführt,
wo ich nach längerem Warten einer hohen, imponierenden Ge
stalt mit ergrautem Haar und Schnurrbart mich gegenüber be
fand. Auf die Frage, was mich zu ihm führe, erwiderte ich, ich
wisse nicht recht, ob ich als Käufer oder Verkäufer käme. Er
habe im vergangenen Jahre die Hälfte einer Sammlung er
worben. Da sie ein einheitliches Ganzes gewesen sei besitze
jeder von uns den halben Teil. Es bleibe nichts übrig, als daß
ich entweder meine Uhren wieder Zurückkaufe gegen ein gutes
Reugeld, oder daß er meinen Teil der Kollektion auch noch er
werbe. Darauf fragte er, was ich denn ein gutes Reugeld nenne.
Ich antwortete: »100.000 Mark.« Das wäre für einen gewöhn
lichen Sterblichen immerhin ein ganz respektables Sümmchen,
hatte ihm jedoch anscheinend wenig imponiert. Sein Gesicht,
das gewöhnlich ernst war, wurde fast kindlich heiter. Wir hatten
anscheinend nicht ganz den gleichen Maßstab für den nervus
rerum. Er erwiderte also lächelnden Mundes: »Ihr Gebot reizt
mich nicht; versuchen wir einen anderen Weg. Was verlangen
Sie für den Rest der Uhren?« Ich nannte eine entsprechende
Summe, und in wenigen Minuten war der Verkauf abge
schlossen. Von da ab führte mich das Leben mit dem merk
würdigen Manne sehr oft zusammen. Einmal zeigte ich ihm eine
emaillierte Taschenuhr aus dem 17. Jahrhundert, ein wahres
Kabinettstück von Seltenheit und Schönheit. Da ein hoher
Preis •— 300.000 Mark — verlangt wurde, wollte ich ihm einige
Aufklärungen über die Bedeutung des Stückes geben. Er schnitt