Alfred Alzmexsier, Paris: „lßoffrande du soir"
[Die Opfergabe des Abends), Ölbild, - Dem
gotischen Raum fügt sich dieses Werk har-
monisch ein, weil es die Bildaufgabe der Ge-
gcnwarl erfüllt. Zumindest macht dieser Ma-
nessier die Aufgabe der neuen religiösen
Kunst klar bewußl, wonach es den Schöp-
fungssinn in der Materie zu gleichnishafter
Wirklichkeit und Gestalt zu bilden gilt.
sehr viel los, auch wenn wir noch so viel Talent besitzen und
noch so klug zu spekulieren, auszulegen und zu transformieren
wissen. Das bleibt alles ein armscliger Eklektizismus der Interpre-
tation längst geleisteter Erkenntnis und ohne jede Kraft, ja ohne
jeden Ansatzpunkt, dem modernen Dasein beizukommen und das
in ihm enthaltene Leben zu ermächtigen. frei zu machen und es
zu gestalten. Für den heutigen Menschen nämlich als den typi-
schen „Zauberlehrling" ist allein das Dasein selber, ist die Welt
das Schicksal und der Dienst nn ihrem Schöpfungssinn die ein-
zige Möglichkeit, die Freiheit zu gewinnen.
Etwas von dieser sehr konkreten Freiheit, von der in Angriff ge-
nommenen Aulgabe einer neuen religiösen Kunst, von der ge-
horsamen Verantwortung für das „Wort im Fleisch" wird an
einigen Arbeiten des 1911 in Frankreich geborenen Malers
Alfred Manessicr erkennbar. Besonders sein schönes, stilles und
leuchtendes Ölbild „lfoflrande du soir" (Opfergabe des Abends)
macht das deutlich. Wie hier das tiefe Nachtblau zusammen mit
den anderen vom Dunkel ins Licht gestulten Farben einen mäch-
tigen ruhevollen und zugleich reichen Klang bereitet, in dem die
weichen, schwingenden Töne und Formlelder mit den schärfer
umrissenen Figuren Kontrast und Wechsel bilden, ist wirklich
wie ein einzig von den Farben selber angetragener und ange-
stimmter Gesang, der den Abend in die Ewigkeit zu tragen und
ihn in ihr zu bergen weiß. Da hat sich tatsächlich eine Art ma-
lerischer Vollzug der Freiheit, weil ein Gestalt gewordener
Dienst am „Wort" der lizirbe zugetragen. In diesem Bilde gipfelt,
wenn nicht alles trügt, die Schau in Löwen, was schon dadurch
bestätigt wird, daß es eigentlich als einziges von der Gotik des
Raumes last ohne Vorbehalte aufgenommen wird.
So hat die Löwener Ausstellung überhaupt in ihrem Schauplatz
ein gutes Prüffeld, an dem die Kunstgewt-rblereien und Moder-
nismen kläglich scheitern. Denn vor solcher Gotik, die aus der
Gestaltmeisterung der mittelalterlichen Situation und Aufgabe
der bildlichen Emporhebting des Menschen und aller Kreatur
hervorging, kann nur die Gestaltmeisterung unserer Situation
und Aufgabe in der bildnerischen Erweckung der durch uns
selbst entbundenen Materie zu Sinnbild und Gleichnishaftigkeit
bestehen.
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