Die Natur des Porcellans und die chinesischen Muster stimmten aufs beste mit dem
Geschmack der Rococozeit zusammen. Die Gemälde, mit welchen man es schmückte, wa-
ren entweder in der Art leichter Aquarelle gehalten oder glichen Emailmalereien, so dass
dem Steife das wesentliche Element der Transparenz gewahrt blieb. Mit dem Rococo kann
aber auch diese im Princip richtige künstlerische Verwerthung des Porzellans ab. Die
Porcellanmulerei erreichte einen viel höheren Grad technischer Vollendung, musste aber
eben so weit hinter der Oelmalerei zurückbleiben, mit welcher sie wetteifern wollte, wie
die Porzellanplastik sich fruchtlos anstrengte, den Anforderungen der hohen Kunst zu ge-
nügen. Einen Gewinn brachten diese Bestrebungen gleichwohl: das antike Ornament. in
welchem das Beste zu Anfang unseres Jahrhunderts von der kaiserlichen Fabrik in Wien
geleistet wurde. Ueber der Tendenz, mit der Decoration des Porcellans über dessen Gren-
zen hinausgehen, wurden aber Feinheit, Vollendung und Solidität des Materials, Schönheit
und Eleganz der Form vergessen, die Masse wurde kalkweiss, und als die ausgezeichne-
ten Porzellanmaler ausgestorben waren, verwilderte unter der Herrschaft des Naturalismus
auch die Decoration vollends.
Dem gegenüber behaupten die Porcellane aus China und Japan, obgleich auch dort
die Fabrication seit Jahrhunderten von der einstigen Höhe herabgestiegen ist, immer noch
einen g-rossen Vorzug; sie sind, was sie sein sollen, rein decorativ, harmonisch in der
Farbe und darum von guter Gcsamrntwirkung. Diese Wahrnehmung liess sich auch in
Paris machen, und doch hatten nicht die chinesischen und japanesischen Fabriken ihr
Bestes ausgestellt, wie jene von Eevres, Berlin, Meissen etc., sondern Pariser Händler
hatten diesen Theil der Ausstellung versorgt. '
Haben die lndustrieansstellungsn nun auch auf den unbefriedigenden Zustand dieses
Kunstiudustriezweiges die Aufmerksamkeit gelenkt, so ist doch dessen Befreiung aus den
Fesseln des Modegeschmackes noch keineswegs gelungen. Abgesehen von einzelnen Spe-
cialitiiten gleicht sich alles europäische Porcellnn so sehr, dass es ohne die verschiedenen
Fnhrikslnarken sich kaum snndem liesse, und vielleicht nur drei Fabriken nehmen eine
selbstständige Stellung ein: Wedgwood, Meissen und Herend.
Die von Thomas Josiah Wedgwood in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
gegründete Fabrik "Etruria" in Stalfordshire verdankt ihren Ruhm bekanntlich nicht
dem eigentlichen Porcellan, sondern jenem zwischen Porccllan und Fayence in der Mitte
stehenden Steingut, welches nach dem Erfinder genannt wird. vorzüglich aber jener Varietät,
welche Jasperware oder Jaapinporcellan heisst und zweifach gefärbt ist, so dass die obere
Schichte, welche die Zeichnung bildet, sich von einem dunkleren Grunde abhebt. Der da-
mals wiedererwachte Sinn für die Antike kam den Arbeiten Wedgwoods, üir den a. B.
Flaxman ruodellirte, zu statten; und die Treue, mit welcher die Fabrik an ihrer ursprüng-
lichen Weise dem Modewechsel zum Trotze festhielt, belohnt sich gegenwärtig.
Im Gegensatz zu dieser ist die Porcellnnfabrik in Meissen, die älteste in Europa,
recht eigentlich mit dem Rococo verwachsen. Aber anstatt diesen dem Material im All-
gemeinen so angemessenen Styl von seinen Auswüchsen zu befreien und in Form und
Ornament mehr Reinheit und wirkliche Schönheit einzuführen, hält man sich in Meisseu
einerseits streng an die überlieferten Muster und huldigt andererseits dem neuen Ge-
schmacks. welcher das Hauptgewicht auf ölbildartige Gemälde legt.
Mnriz Fischers Fabrik in Herend (bei Veszprim) endlich hat in der Technik eine
l-löhc erreicht, die es ihr gestattet, scheinbar unüberwindliche Schwierigkeiten fdnnlich
aufzusuchen und zu besiegen und alle Porcellane der Welt nachzumachen, während sie
in der Bemalung den Bedingungen des Stoffes treu bleibt.
Diesen dreien reihte Redner noch die Fabrik Ginori zu Doccis bei Florenz an,
welche zu ihrem einstigen, von den italienischen Majoliken ausgegangenen Kunstcharaktcr
wieder zurückgekehrt ist. auch Terracotten mit Reliefvenisrnngcu u. dgl. imitirt.
Gegenüber diesen fand der Modegeschmack seine gliuzendste Vertretung in der
Ausstellung von Sevres, welche Fabrik weniger Führer in der Mode - wie zur Zeit des
Bococo und unter der Restauration -- als von derselben beherrscht zu sein scheint. Mit
ihren außerordentlichen materiellen und künstlerischen Mitteln bemichtigt sie sich jeder
anderswo betriebenen Fabrimtionsweise und jeder Specialität bis auf die Nachahmungen
der Fayence. Dadurch hat sie aber den eigenen Charakter eingebüsst und über der Ds-
coration die eigentliche Arbeit des Porcellanfabrieauten vernachlässigt. Formen und Farben-
gcbung machen im Allgemeinen den Eindruck der Schwere; die Bronzemontirung, wahr-
scheinlich erfunden, um Mängel zu verdecken oder das zu verbinden, was nicht aus einem
Stücke geschaffen werden konnte, hat viel zu grosse Dimensionen angenommen. In der
Malerei leistet sie allerdings vorzügliches. Viel Gewicht war in der Ausstellung auf eine
ibrlnlzung auf der Beilage.