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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1868 / 30)

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tragende Verbesserungen an den Balanciers sind das Verdienst des deutschen Fabrikanten 
Seegers in Paris. Durch die Vollkommenheit des Balanciers ist es dem französischen 
Fabrikanten Dulud gelungen, die alten Ledertapeten zu imitiren. Solches Cuir Dnlnd, 
welches sehr dauerhaft und fest ist, sich sogar als Möbelüherzug verwenden und wenn 
schmutzig waschen lässt, wird heute in Frankreich und Belgien. aber auch neuestens in 
Schweden erzeugt. 
Die Tapeten-Industrie hat ganz und gar den Typus des modernen Kunstgewerbes. 
Die künstlerische Seite desselben und die gewerbliche sind in der Fabrik räumlich und 
was die Personen betriift streng geschieden und nur der Leiter des Etablissements ver- 
mittelt den Zusammenhang. Es besteht also nur eine Personalunion zwischen dem Volke 
der Künstler und dem Volke der Arbeiter. 
Nachdem der Naturalismus als aufgehoben zu betrachten ist und die streng styli- 
stische Haltung der Dessins den Sieg erfochten, den das Wahre, Schöne und Gute allent- 
halben über die Unnatur erringen muss, seitdem tritt die Erscheinung immer häufiger auf, 
dass hervorragende wahre Künstler an Stelle der Dessinatenrs treten. In England haben 
sich Künstler wie Owen Jones, Wyatt, Pitmann, Rodgers, in Frankreich Viollet 
le duc, Müller, Dumont u. A., in Deutschland Gropius, Schinkel, Bötticher 
und Strack Verdienste um die Tspetcnindustrie erworben. 
Die Dessinzeichner von Profession trachten künstlerische Leistungen zu erstreben 
und erringen damit Anerkennungen wie jene Künstler. In letzterer Richtung werden die 
Tapetendessins nicht wenig bereichert durch die Schätze der Museen; so z. B. hat unsere 
Beck'sche Weberei-Sammlung manches vorzügliche Muster für neue Tapeten abgegeben. 
Nebst der Veredlung der Tapeten bemerken wir auch, dass die technische Durch- 
führung anf einem Culminationspnnkt angelangt ist. Obenan stehen in dieser Beziehung 
die Franzosen, sehr nahe denselben die Engländer und Deutschen. 
Werthvolle feine Producte liefern Franzosen und Engländer am meisten. Als Bei- 
spiele führe ich an die Hautreliefs-Decors von Cutbertson, das Decors von Woolam s, 
die Louis quartorze-Decoration von Hook mit 37l Modeln und 218 Farben. 
Zwischen jc zwei Flschsäulen mit vergoldeten Capitälen und Blumen geüillten Vasen 
eröffnet sich dem Auge des erstaunten Beschauers eine duftige Landschaft, in deren Hin- 
tergrunds eine halb zerfallene Siinlenhalle, rechts vorn eine unvergleichliche Malvengruppe. 
Nicht so leicht ist dieses technisch ausgezeichnete Werk von einem Gemälde zu 
unter scheiden, das es tausendfältig wiedergibt. 
Darstellung von Figuren ist aufgegeben- 
Mittelwaare macht eminent Frankreich, England, Deutschland und Oesterreich. 
Die Theilung der Arbeit, insofern sich jede Fabrik auf eine bestimmte Waare ver- 
legt, ist in Frankreich am meisten vorgeschritten 
Ich erinnere an die Velontafschen Bezoult, an die Devant des cheminees von Le- 
petit, an die Hintergrund-Decoraticnen fiir Photographen von Dubreuil. - Auch 
Deutschland hat Fabriken, die Specialitäten pdegeu, z. B. die Tapeten von Harting in 
Hannover mit Perhnutterglanz. Die Mannigfaltigkeit der Producte ist kaum noch einer 
Steigerung Eihig. 
Die Dauerhaftigkeit steht im Verhältniss zum Preis, der sich um 20 pCt. durch die 
Einführung der Maschine seit zehn Jahren errnässig hat. Die Engländer leisten hierin 
das Aeusserste, aber auch die West- und Norddeutschen, sowie die Franzosen Bedeutendes. 
Ein Rouleau von 40 Cubikfuss Fläche mit braunem Grund und weissem Dessin zu 15 Cen- 
times oder 7'], kr., oder 3 Fuss Bordüre um Y, kr., das sind Preise, die tief untcr dem 
der ordinürsten Packpapiere im Detailhandel stehen. 
Die Schnelligkeit der Erzeugung, die mögliche Erzeugungsmenge ist auch in Eng- 
land auf die Spitze getrieben worden. 
Frankreich oder vielmehr Paris steht nicht weit nach. 
Die Fabrik von Gillon Fils in Paris kann täglich Tapeten in der Gesammtlünge 
von I3 Meilen erzeugen. Der Productionswerth erreichte im Jahre 1866 1.835.001 Frcs. 
und kann nach den im Etablissement getroffenen Vorkehrungen auf 3.000.000 Frcs. ge- 
steigert werden. 
Nach der Erzeugungsmenge steht Frankreich oben an, dann kommt England, Deutsch- 
land und die vereinigten Staaten. 
Oesterreich hat nur vier bedeutende Fabriken, drei in Wien und eine in Prag. Die 
renornmirte Firma Spoerlin k Zimmermann hat Oesterreich in Classe XIX. nuf der 
Ausstellung ehrenvoll vertreten. Eigentliche Maschinentapeten erzeugt man jedoch noch nicht. 
Unter den Papiertapeten erzeugenden Staaten ist China der erste gewesen. Es gibt 
viele Menschen, ja sogar Techniker, die alles Chinesische bewundern. Ich habe schon in 
meiner Untersuchung der Papiere nachgewiesen, dass China das schlechteste Papier macht, 
was um so trauriger ist, da dasselbe eben schon 1000 Jahre Papier macht, ohne dass es
	        
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