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hören und aus einer: Werkstätte hervorgegangen sind, selten oder nie
erreichen. Und hierbei müssen wir noch in Betracht ziehen, dass diese
Geräthe aus dem hannoveranisehen Silberschatze beinahe durchweg einer
schon nicht mehr auf voller Höhe befindlichen Kunstepoehe angehören,
aber immer noch einer solchen, in der eine gute Tradition im Stande war,
selbst Meister dritten Ranges zu Hervorbringungen zu befahigen, die un-
sere Bewunderung und unser Studium verdienen und auch unsere Nach-
ahmung in jenen Dingen, die sie als später leider zur Gänze verschleudertes
Erbtheil einer guten Zeit und Schule bewahrt haben.
Fragen wir nach den Ursachen der Ueberlegenheit dieser alten
Werke, wenigstens über das Meiste, das wir heutzutage zu sehen gewohnt
sind, so werden wir finden, dass es nicht immer gerade die besonders
kunstreiche Durchführung der Einzelnheiten ist, wodurch diese Gold-
sehrniedearbeiten sich auszeichnen, denn in Bezug auf Feinheit des Details
sind die in Rede stehenden Objecte des Welfenschatzes durchaus nicht
ersten Ranges - sie sind oft breit, mitunter selbst flüchtig behandelt.
Es ist aber die Sicherheit des Treffens der richtigen Verhältnisse zwi-
schen Fuss und Körper, das feine Gefühl für architektonischen Aufbau
und Gliederung und die genaue Kenntniss der Bedingungen und Forde-
rungen des Materiales, die ihnen den Werth des Kunstwerkes gibt. Das
ist es, was uns durch die lange trübe Zeit, die der Renaissance folgte,
abhanden gekommen ist und was wir an den Resten jener Vergangenheit
so lange werden lernen müssen, bis es auch bei uns wieder in Fleisch
und Blut übergegangen sein wird, wie bei jenen Handwerkern des 16.
Jahrhunderts, die darum Gutes machten, weil sie nur Gutes gesehen und
gelernt hatten. Daher die Freiheit und Frische der Behandlung, die den
Hammerschlag ungeglättct stehen lässt und stehen lassen kann, weil er
wohlbewusst geführt auf den rechten Ort fiel.
Uebergehend zur Aufzählung und Detaillirung der einzelnen Stücke,
beginnen wir mit den Abendmahlskelehen, als den der Entstehungszeit
nach ältesten der zu besprechenden Arbeiten. Noch ist zu erwähnen,
dass bei sämmtliehen Stücken das Material vergoldetes Silber ist.
I. (20364) Gothischer Kelch von eleganter Form mit echsthei-
ligern Fusse, zwischen dessen halbkreisförmig abgerundeten Comparti-
menten sternfdrmige Spitzen hervorspringen. Der Knopf des Kelches,
der s. g. Nodus, durchbrochen mit gothischem, etwas flüchtig gearbeitetem
Masswerke (z. l}. die „Pässe" nur mit dem Bohrer gemachte runde Oetf-
nungen), die Cuppa von schöner älterer, in der Contour parabolischer
Form, am Fusse kleine Reliefmedaillons mit den Aposteln und Christus
am Kreuze mit Maria und Johannes, darüber die Umschrift in gothischen
4') Die beigefügten Nummern sind die Iuvenßrsnummem der beüElTenüen Stück:
im Kataloge des Museums.