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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1868 / 34)

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glaube, dass diese Angelegenheit anzuregen gegenwärtig verfrüht ist, dass es aber recht 
wohl passend sein würde, dann auf die Frage gehörig einzugehen, wenn überhaupt die 
Frage der Reform des Volksunterrichtes im Grussen zur Berathung kommen soll. 
Für den Augenblick würde schon sehr viel geschehen sein, wenn man sich ent- 
schliessen könnte, in jenen Volksschulen, wo Zeichenunterricht gegeben wird, die 
Vorlagen des Prof. Herdtle in Stuttgart einzuführen. Diese Vorlagen sind 
dort herausgegeben auf Kosten und im Auftrage der königl. Commission für Fortbildungs- 
schulen und für Volksschulen. Sie empfehlen sich durch grosse Klarheit, Einfachheit und 
durch eine sichere und bestimmte Methode; sie lernen den Schüler nicht blos die Hände 
führen, sondern auch zu gleicher Zeit denken. Sie können als eine ganz geeignete Vor- 
schule betrachtet werden fiir jede Art des gewerblichen Zeichenunterrichtes und erleichtern 
den Uebergang zum Zeichnen nach dem Runden ebensosehr wie fir jenen, der sich den 
Flächendecorationen widmet, Stickmusterzeichner oder etwas Aehnliches werden will. 
Wenn die löbliche Kammer über eine dieser Fragen einmal ausführlich verhandeln 
wird, bin ich sehr gerne bereit, diese Vorlagen, welche das Museum sämmtlich besitzt, der 
verehrten Kammer mitzutheilen. 
Was den Zeichenunterricht für das weibliche Geschlecht hetriß, so 
kann hier nur von jenem die Rede sein, welcher sich auf Arbeiterinnen bezieht und von 
dem Zeichenunterricbte, der in weiblichen Unterrichtsanstalten gelehrt wird. In diesen 
Fragen befindet sich aber Oesterreich noch auf dem allerelementarsten Standpunkte, weil 
der Zeichenunterricht und was damit zusammenhängt, Stickerei u. s. f., zum Theil ganz 
ohne Methode gelehrt wird und von dem gewiihnlichsten Modegeschmack abhängig ist und 
zum Theil in seiner Bedeutung für den volkswirthsehaftlichen Zustand sehr wenig gewür- 
di t wird. 
g Wiirde die Handelskammer die Ansicht haben, über die Fragen einmal in eine Er- 
örterung einzugehen, so müssten eine Menge Vorfrageu erörtert werden, die meist abhän- 
gen von der Organisirung des Volksuntenichtes im Ganzen und Grossen; ich glaube 
daher am besten zu thun, wenn ich nur das andeute, was im Augenblicke und 
rasch geschehen kann und das ist Folgendes: 
1. Würde die Handelskammer gut thuu, jene Schulen und jene Vereine zu 
unterstützen und theilweise auch zu beaufsichtigen, welche den Ehrgeiz haben, Etwas 
leisten zu wollen; und da ist es meine Meinung, dass mit den Zeichenschulen, welche neu 
begründet werden, wie es soeben die Zeichenschule des Wiener Frsnenerwerb- 
vereines ist, viel leichter Etwas zu machen ist, als mit Anstalten, die schon längst be- 
stehen und die insbesondere glauben, bei dem gewerblichen Unterrichts für Mädchen zu- 
erst der Mode Rechnung tragen zu müssen. 
2. Glaube ich, soll die Handelskammer die Schulen am Lande, vor Allem im 
Gebirgstheil von Niederösterreich in's Auge fassen und die Fragen erwägen wol- 
len, ob es nicht passend sei, dort gewisse Zweige der Stickerei eiuzuüihren, die Guipiiren- 
Fabrication, deren Production auf dem Lande im Winter auch ein Erwerbszweig Sir die 
Bevölkerung werden kann. Das üsterr. Museum hat deswegen Stickerinnen aufgefordert, 
das Guipiiren-Musterbuch von Henry aus Paris kommen lassen, und es gibt noch ausser- 
dem sehr viel Methoden , die jetzt schon in Frankreich in Gebirgsgegenden zum Nutzen 
angewendet werden, während in Oesterreich dieser Theil der Handarbeit gänzlich brach 
liegt. Ich habe bei der Industrieausstellung in Linz gesehen, dass Industriezweige, welche 
früher in Oberösterreich geblüht haben , als Thon- und Fayence-lndustrie, auch die 
Stickerei, fast gänzlich verloren gegangen sind, blos deshalb, weil sie nicht gepflegt 
worden sind, und es schien mir besonders passend. was den Zeicbenunterricht fiir Mäd- 
chen betriift, nicht blos Etwas für Wien, sondern auch für den ärmeren Theil 
der Bevölkerung Niederösterreichs, der im Gebirge wohnt, zu Lbun. Alles 
Andere, was die Reform des Zeichcnunterrichtes betrifft, erwartet seine Besserung von 
einer umfassenden Reorganisation der Volksichnlen in ganz Oesterreicb. 
Ich habe in diesem Berichte natürlich nicht alle Punkte") erwähnen können, welche 
sich auf die Fragen beziehen, welche die Handelskammer an mich richtete, und habe einen 
Punkt zu erörtern absichtlich vermieden, jenen nämlich, der sich auf die Herstellung von 
einem Systeme von Zeichenvorlagen bezieht. Dieser bedarf einer besonderen Erörterung 
und einer reiiiichen Erwägung. Ich erlaube mir aber scbliesslich die ganz allgemeinen 
Bemerkungen der Beachtung der Handelskammer vorzulegen: 
Ü) Um Mlsnversündnisseu zu hesfgnen, wird bemerkt, das! die k. k. Gewerbeschein. itldll ehemals 
mit dem pulytcchuischen Institute in Verbindung war, deswegen in diuem Bericht nicht enlihnt Vlllrdl, IQÜ 
ihre Reorgluisation im Zuge ist, dall ich lber glaube. die Schule habe alle Elemenll in lieh. um in ein! 
Srbule illr Baugewerbe umgewandelt lu werden. Die Umgestaltung nach dieser Bein würde eine Welenliieb! 
Lücke im Sysxeme der Gewerbelchula ausfüllen und im Interesse der grauen Bauindullrie Wien! liegen.
	        
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