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Full text: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1868 / 36)

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an den bayerischen Hochschulen eingeführte Lehrsparte, welche in Frankreich an meh- 
reren höheren und secnndiiren technischen Lehranstalten seit länger als 30 Jahren mit 
grosser Ausführlichkeit vorgetragen wird. In dem 2. und S. Jahre werden die angewandten 
Wissenschaiten (Mechanik, Maschinenbau, Chemie und Physik, Civilhau, Bergbau, spe- 
cielle Metallurgie des Eisens, Dampfmaschinenlehre und Eisenhahnwesen) von den ersten 
Autoritäten Frankreichs gelehrt. Auffallend ist es, wie wenig Gewicht man in der Central- 
schnle auf die in Deutschland ungebiihrlich hoch gehaltenen beschreibenden Naturwissen- 
schaften legt. Auch die fremden Sprachen werden vernacblßssigt. Sämmtliche Schüler 
sind Externe, Die Kosten des Unterrichtes betragen 800 France jährlich. 
Hat nun die Centralscbule wesentlich die Aufgabe Ingenieure zu bilden, so ist 
daiiir das „Conservatoire imperial des arte et mätiers" in Paris, das man hier und da in 
Frankreich mit dem Namen „Sorbonne industrielle" trelfend bezeichnet, ein Institut fiir 
die gewerbliche Bildung aller Volksschichten par excellence. Bei dem unermesslichen 
Einiiusse, den die berühmte Anstalt auf die Entwickelung der französischen Industrie 
ausgeübt hat und jedenfalls noch ausübt, wenn auch in jüngster Zeit gegentheilige An- 
sichten sich geltend su machen suchten, bei der entschieden ausgesprochenen Neigung 
vieler Handels- und Gewerbegremien, auch in Deutschland gewerbliche Unterrichtsanstalten 
nach dem Muster des Pariser Conservatoriurns einzuführen, werde es dem Referenten ge- 
stattet, ein Institut eingehender zu schildern, um welches Deutschland Frankreich an bs- 
nciden alle Ursache hat. 
Das „Conservatoire des arts et metiers" beiindet sich in einem Prachtbau rue St. 
Martin 292 in der Nähe der Porte St. Martin und an dem Squars, welcher erstere Strasso 
vom Boulevard Sebastopol trennt. Die Gebäude bildeten einst die durch die Revolution 
von 1789 aufgehohene Benedictiner-Abtei von St. Martinvdes-Champs. - 
Der grosse Philosoph Reue Descartes. gewöhnlich Renatus Cartesius genannt, ist 
als der Erste zu betrachten, der den Gedenken gefasst, öifentliche Vorlesungen für die 
Gewerbtreibenden zu halten. Nach seinem gegen das Jahr 1640 ausgearbeiteten Plan 
sollten grosse Bürslile für jedes Gewerk oder Zunil gebaut und zugleich eine Sammlung 
von Werkzeugen und maschinellen Vorrichtungen angelegt werden. Jeder derartigen 
Sammlung sollte ein geschickter Professor verstehen, der auf alle Fragen der Gewerbtrei- 
benden genügende Auskunft zu gehen vermöge. Es bedurfte indessen der Zeit mehr als 
eines Jahrhunderts, ehe die ersten Versuche zur Realisation der von Descartes ausgespro- 
chenen Ideen angestellt wurden. Im Jahre 1775 nämlich legte der Mechaniker Jacques 
de Vaucanson in dem Hötel de Montagne (Fanbourg SsinteAntoine) eine Sammlung von 
Maschinen, Werkzeugen und Instrumenten an, zum Zwecke des Unterrichtes der Arbeiter. 
Diese Sammlung vermachte er bei seinem 1782 erfolgten Tode der Königin und legte da- 
durch den Keim sur Gründung des Conservatoriums, dessen erster Conservator de Vander- 
monde die Zahl der Maschinen beträchtlich vennehrte. Die Revolution kam dem jungen 
Institute mächtig zu Hilfe, in Folge der Aufhebung der Klöster ward ihm das gegenwär- 
tige Locsl der Abtei von St. Martin-des-Chsmps eingeräumt und in Folge einer Verord- 
nung von Lucian Bonaparte (Minister des Innern) vom Jahre VIII beschlossen, dass alle 
in Staatshänden befindlichen Modelle und Maschinen in das neue technologische Museum 
zu schaden und dort aufzustellen seien. 1806 wurde neben der Sammlung eine Gewerb- 
schule und 1810 auf Veranlassung ChaptaPs eine Spinnerecbule hauptsächlich in der Ab- 
sicht angelegt, die Vervollkommnung der Beurnwoll- und Flachs-Maschinenspinnerei durch 
Einführung und Construction besserer Maschinen anzustreben. Aus der Gewerhschule 
sind viele der industriellen Griissen Frankreichs hervorgegangen, ,so der Spinner Sellierea 
zu Senones, ferner Emil Dolfus und Präsident Schneider vom Corps legislatif. 
Eine neue Epoche üir das Conssrvatorium begann im Jahre 1819 durch die Griin- 
dung einer technischen Hochschuls in dem Institute selbst, auf welcher drei Lehrstühle 
und zwar für Mechanik, Chemie und Volkswirthsohah gegründet wurden. Die Mechanik 
lehrte Charles Dupin, die Chemie Cläment Desormss und die Nationalökonoluie der auch 
in Deutschland gesehßtnte Volkswirthsehaftslehrer J. B. Ssy. Später trat Pouillet für die 
Physik ein. In dem Verwaltungssenate der damaligen Zeit linden sich die Namen der 
ersten Gelehrten und Industriellen Frankreichs, wie Bertbollet, Chaptsl, Gay-Lussac, Arago, 
Ternaux, Daroet, Perrier, Weiter etc. Von dieser Zeit an datirt der groese und wohlthä- 
tige Einfluss des Censervatoriums auf das Emporhliihen der Industrie Frankreichs, Unter" 
der Direction des General Morin lehren gcgeuwlrtig Ch. Dnpin und Richard angewandte 
Geometrie, Peliget angewandte Chemie, Becquerel angewandte Physik, Tresca Mechanik, 
Payen Gewerhschemie, de ls Gournerie descriptive Geometrie, Wolnwsky Volkswirthschaft, 
Moll Lsndwirthschaft, Bnussingault Agricnlturchemie, Salvetat Thenwaarentechnik, Alcan 
Spinnerei und Weberei, Person Färberei und Zengdruek, Baudemont Zoologie in ihrer An- 
wendung auf Ackerbau und Gewerbe, Trclst Civilbau, Burat Verwaltungslehre und Ge- 
werbsstetistik. Die Vorlesungen werden in den Abcndstnnden der Wochentage und den
	        
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