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daran glaubt, alles dies sei aus chinesischem Papier gearbeitet. Griißn Pauline Baudissin
ist die Künstlerin, welche durch diese Arbeiten eben so viel feine Beobachtung für die
Erscheinungen der Natur, als Fertigkeit in der Behandlung des Stofes bekundet. Bisher
wurden, wie Allen bekannt, feine künstliche Blumen fast ausschließlich aus Paris bezogen
und galt es als ausgemacht, dass mit der dortigen Fabrication nicht zu coucurrirsn sei.
Die Arbeiten der Gräfin Baudissin halten aber nicht allein den Vergleich mit der besten
französischen Waare aus, sondern übertreffen dieselbe an Naturwahrheit und Geschmack
und zeigen somit den Weg, um uns in diesem nicht unbedeutenden Industriezweige vom
Auslands zu emancipiren. Wie wir mit Vergnügen hören, beabsichtigt die Frau Gräfin
Baudissin auf ihren Gütern in Steiermark eine Fabrik zu errichten, um die Erzeugung
dieser Kunstblumen im grösseren Massstebe zu betreiben.
[Kunslgewerheachule des üsterr. Museums.) Dem Berichte über die Ergeb-
nisse der Schüleraufnahme in diese Anstalt im laufenden Schuljahre entnehmen wir, dass
im Ganzen 50 Schüler (darunter die Hälfte ordentliche Schüler, die Hälfte Hospitanten)
aufgenommen wurden, wovon mit Rücksicht auf die Combinirung einzelner Fachschnlen
und Lehrfächer 24 in den Vorbereitungscnrs, 8 in die Fachsohuls für Baukunst, 6 in die
Fachschule für Bildhauer, S in die Fachschule für das Zeichnen nud Malen ornamentaler
Gegenstände, 8 in die Fachschule für das Zeichnen und Malen figuraler Gegenstände, 17
in den Curs fir Projectionslehre, 21 in den Curs für Styllehre und 14 in den Curs für
Farbencbemie eingetreten sind.
Die Vorbildung der eingetretenen Schüler wird von dem Professorencollegium als
mangelhaft bezeichnet, die viel zu wünschen übrig lasse; zugleich wird von derselben
Seite das befremdende Factum versichert, dass die von den aufgenommenen Schülern der
Kunstgewerbeschulu vorgelegten Zeichnungen mit ihrer eigentlichen Leistungsfähigkeit
sehr häufig nicht im Einklange stehen.
Der Fleiss der Schüler in den verschiedenen Abtheilungen wird als ein befriedi-
gender geschildert und man dürfe sich daher der Hoffnung hingeben, schon am Schlusse
des ersten Schuljahres erfreuliche Resultate in jeder Richtung aufweisen zu können.
Nach dem Ermessen des Anfsiehtsrathes der Kunstgewerbeschule ist das oben an-
gegebene Resultat der Schüleraufnahme für den Beginn dieser Anstalt vollkommen zu-
friedenstellend. Bei einer Anzahl von 50 Schülern, die sich auf fünf Lehrfächer vertheilen,
ist es dem Lehrer ermöglicht, sich mit jedem einzelnen Schüler eingehender beschäftigen
zu können und - wie dies gerade bei einer Kunstgewcrheschule absolut nothwendig ist
-- den Unterricht je nach den Berufszweigen und individuellen Bedürfnissen der einzelnen
Zöglinge für jeden derselben in veränderter Weise einzurichten.
Dass die Schule überfüllt sei, ist durchaus nicht zu wünschen; im Gegentheile
würden dadurch die Resultate des Unterrichtes in Frage kommen. Die Ueberfüllung un-
serer Schulen ist ein Hauptübelstand, an dem die meisten derselben darniederliegen.
Irn laufenden Jahre ist die Betheiligung der übrigen Länder (ausser Nieder-Gester-
reich) sehr gering; für die Folge ist nach den von den verschiedenen Handels- und Ge-
werbekammern an das k. k. Handelsministerium erstatteten Berichten. die der Direction
des Museums im Einsichtswege zukommen, die Hoßnung einer lehhafteren Theilnahme
begründet.
Eine sehr beaehtenswerthe Erscheinung, auf welche der Bericht der Schuldirection
aufmerksam macht, ist, dass nur ein sehr geringer Bruchtheil der Schülerzahl aus Söhnen
oder Gehilfen von Grossindustriellen besteht, sondern die Mehrzahl derselben aus Beamten-
siihnen und Angehörigen des ärmeren Gewerbestandes sich recrutirt hat; ein neuer Beleg,
wie wenig noch in den Kreisen der Ersteren das Bedürfniss nach einer höheren Ausbil-
dung im Zeichnen und nach selbständiger Erfindung von Mustern empfunden wird. -
Die Aufnahme von ausserordentlichen Schülern (Hospitenten) dauert während des ganzen
Schuljahres fort.
Se. kaiserl, Hoheit Herr Erzherzog Rainer beehrten am 3. l. Mts. die Kunst-
gevrerbeschnle des k. k. österr. Museums während der Unterrichtsstunden mit einem hin-
geren Besuche, besichtigten siimmtliche Abtheilungen der Schule und richteten an Lehrer
wie Schüler freundliche und aufmunternde Worte.
(Allgemcine deutsche Gewerhe- und Industrie-Ausstellung In tVltten-
herg.) Im Laufe des nächsten Jahres soll der erste Versuch gemacht werden, eine all-
gemeine Industrie-Ausstellung fernab von den Centren des TVeltverkehrs in einer beschei-
denen Landstadt abzuhalten. Die Stadt Wittenberg in preussisch Sachsen ist der Ort,
wo diese Ausstellung stattfinden soll. Nach dem ursprünglichen Programm soll die von
dem Gewerbeverein in Wittenberg projectirte Ausstellung: Rohstode, Gewerbs- und Indu-
stiia-Producte aller Art, hluschiueu oder Modelle zur Aussteilung bringen; ausgeschlossen
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