MAK

Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IV (1869 / 45)

Erläuterungen zum Programme der Musterausstellung der 
österreichischen Kunstgewerbe im Jahre 1871. 
Die Ausstellung, welche das österreichische Museum im Frühling 
1871 in den Räumen seines sodann vollendeten Neugehäudes von den 
Erzeugnissen der heimischen Kunstindustrie zu veranstalten gedenkt, dürfte 
in ihren Grundzügen so ziemlich bekannt geworden sein. Das Programm, 
welches darüber ausgegeben worden , hat Plan und Principien allgemein 
verbreitet. Diese haben auch den Beifall der betreßenden Industriellen 
gefunden, so dass viele bereits die Vorbereitungen treffen, um die gege- 
bene Frist zu benützen und würdig mit neuen Gegenständen aufzutreten. 
Nichtsdestoweniger glauben wir, dass einige Erläuterungen zu diesem 
Programm, einige Fingerzeige, welche die Aussteller vor Irrthümern be- 
wahren oder in etwaigen Zweifeln leiten könnten, immer noch am Platze 
sein werden. 
Denn diese Ausstellung wird in gewisser Beziehung eine vollständig 
neue sein, neu in Bezug auf dasjenige, was davon erwartet wird, neu in 
Bezug auf die Idee, welche ihr zu Grunde liegt, neu auch darin, dass 
hier auf den ganzen unermesslichen Schwindel von Preisen und Prämien 
vollständig, aber gern und freiwillig, Verzicht geleistet wird. 
Die bisherigen Industrieausstellungen hatten, wie bekannt, mochten 
sie nun local oder geographisch beschränkt sein oder nicht, nach den 
Gegenständen wenigstens einen universellen Charakter, oder sie waren 
als Nebensache etwa einer land- und forstwirthschaßlicbcn Ausstellung 
angehängt. Niemals aber hat, wie es in diesem Falle geschieht, die Kunst- 
industrie den Gesichtspunkt abgegeben, niemals sie allein die Grenzen der 
Ausstellungsfahigkeit bestimmt. 
Wir stehen also einem fast neuen Unternehmen gegenüber und müs- 
sen uns mit ihm abfinden, ohne uns auf die Erfahrung stützen zu können. 
Aber die Verlegenheit ist noch grösser. Es ist auch der Begriff (oder 
mindestens das Wort) Kunstindustrie neu, und, wenn wir ihm auch 
scharf zu Leibe gehen, keineswegs so klar und präcis, um uns vor Zweifel 
und Ungewissheit zu bewahren. Und solche Zweifel, solche Ungewissheit 
existiren mannigfach beim Publicum wie in der Industrie. Es soll daher 
unsere erste Aufgabe sein. diesen Begriff zu erörtern, um daraus die 
Grenzen desjenigen festzustellen, was in eine Kunstausstellung gehört, 
was nicht. 
Die Grenze zwischen der Kunst und Industrie, wo die Eine aufhört, 
die Andere anfängt, ist unendlich schwer zu ziehen und existirt auch 
eigentlich gar nicht. Halten wir aber theoretisch beide Begriffe in ihrer 
müglichsten Trennung aus einander, so finden wir, dass der eine, die Kunst, 
das Schöne für sich ohne alle Nebenrücksichten verfolgt, der andere, die 
Industrie, den Nutzen, den Gebrauch, eine Zweckbestimmung zur Grund-
	        
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