Innsbrucker Kathedralglas.
Alles gute Material für Glasmalerei in Kirchen musste man in
Oesterreieh bisher aus England beziehen, da die inländische Glasindu-
strie theils diesem Zweige der Fabrication nicht die erwünschte Auf-
merksamkeit widmete, theils nicht mit dem rechten Kunstverständnisse
an die Pdege desselben ging - wie denn z. B. das böhmische Glas zu
hell und grell in den Farbentönen ist, um mit vollständig gutem Erfolge
zu dem gedachten Zwecke verwendet zu werden. '
Von dieser Abhängigkeit uns zu befreien, ist das Streben des Herrn
Neuhauser, welcher mit den Herren Mader und v. Stadl an der
Spitze der ersten Tiroler Glasmalerei-Anstalt steht und gegenwärtig eine
Glasfabrik in Innsbruck baut. Sein Streben hatte sich bis jetzt keines-
wegs der verdienten Ünterstützung zu erfreuen. Die Anstalt ist ohne
alle Subvention des Staates wie des Landes entstanden, ist durch die
Energie und den Kunstsinn seiner Leiter auf eine Stufe gebracht worden,
welche keine Anstalt ähnlicher Art in Oesterreich einnimmt und die we-
nigstens hinter dem Standpunkt keines verwandtenllnstitutes in Deutschland
znrücksteht. Dabei aber sah sie sich ausserbalb der Grenzen Tirols beinahe
vollständig ignorirt. Es ist eine unheilvolle Consequenz jener in Oester-
reich viel weiter als in irgend einem anderen Lande entwickelten Decen-
tralisation, dass irgend ein industrielles Etablissement, welches sich nicht
gleich einen Weltruf zu schaifen versteht, schwer im Stande ist, die
Schranken zu überschreiten, welche ein Kronland von dem andern trennen.
Der Landesangehörige steht in erster Linie - wenn nicht gar der Aus-
länder - an den Facbgenossen in einer andern Provinz denkt man
nicht oder will man nicht denken!
Indessen dürfte wohl die Neubausefsche Fabrik es jetzt dahin ge-
bracht haben, dass sie nicht länger ignorirt werden kann. Proben von
sogenanntem Kathedralglase, welche dem Oesterr. Museum eingesandt
wurden und in denen sechzig Farbennuancen vertreten sind, genügen
zwar den Anforderungen noch nicht, welche Herr Neuhauser an sich
selbst stellt, haben aber den hohen Beifall aller Sachverständigen gefunden.
Die ersten Fachmänner Wiens, Architekten und Glasmaler, erklärten, dass
Herr Neuhauser erreicht habe, was noch Keinem in Oesterreich wie in
Deutschland gelungen sei.
Die Proben des Innsbrncker Kathedralglases zeichnen sich durch
die Dicke des Glases, den Lustre der Farbe und durch jenen Grad von
Undurchsichtigkeit, oder besser gesagt, jenen minderen Grad von Durch-
sichtigkeit aus, wie er für musivisehe Glasmalerei eben nöthig ist.
Der erste praktische Erfolg dieser Fabricationsproben war, dass die
Glaslieferung für die neue Kirche in der Vorstadt Weissgärber in Wien