tragen wird. Eben dise ist mit
noch anderen Genijs untenher
bewahret, so mit denen alten
Steinernen Gesätz-Tafeln, Kelch
und anderen oiTenen Büchern das
Glaubens XVeesen vorstellen, und
der zu Beschirmung in Helm und
Harnisch sitzenden, auch in der
Hand ein aus dem l-lertzen ent-
sprossene beleuchte Kertzen hal-
tenden Gelehrten-Bemühung an
die Hande gehen. Ansonsten er-
scheinet einer seits ein Gruppo
deren mit-einander vereinigten-
und zu Begrei-Iiung dere Himli-
schen Gestirn taugenden Astro-
nomia, und Orographia mit ihren
gewöhnlichen Aufputz, und Ar-
beits-lnstrumenten; wie dannlinck-
ker Hand sich die Astrologia auf
einer großen Himmels-Kugel mit
Ausmässung unterhrlltet, an des-
sen Seiten allerhand Kindeln mit
Perspectiv und dergleichen Werck-
Zeug den in Himmel durchlauffen-
den Zodiacum zu betrachten be-
schätftiget seynd. Abwärts fliehet
die umb das ober-irrdische Wee-
scn sorgfältig sich bekümerende
gelehrte Vorwizigkeit, welcher
von der Erkantnuss der himli-
scherl Beschalfenheit die Augen
aufgebunden werden 6)." Gran hat
„wörtlich übersetzt". Lediglich
auf die schwer zu verdeutlichende
Darstellung der gelehrten Vor-
witzigkeit, der eine Binde von
den Augen zu lösen sei, verzichtet
Gran zugunsten einer großzügig
klaren von ausladenden Schwin-
gen aufwärtsgetragenen Figur.
Gran fühlte sich jedoch nicht so
sklavisch an das Programm ge-
bunden, daß er sich nicht ge-
traut hiitte, eine Figur, die in die
gesamte Allegorie hineinpaßt, hin-
zuzufügen, wenn er sie für seine
Komposition braucht. Die helle
nackte Weibliche Figur zur
Linken der Sapientia Divina 7
oder „Untersuchung der Himm-
lischen Dinge" wie Albrecht sagt
7 verkörpert nach Mrazek 7) die
Theoria. Ihre nachdenkliche Hal-
tung, das Buch und die Flügel an
ihrem Haupte kennzeichnen ihren
allegorischen Sinn.
ANMERKUNGEN:
i) Daniel Gran. 1694-1151, Gedächmisausslel-
lnng Sommer 1031. Nr. 11. Dort auch ab-
gebildet. crnppb dCr Verteidigung aus dem
Seitenfresko „Allegorie aufdas snidinni der
irdischen Dinge". 7 Knnb erwähnt dieses
und in Scintfll großen Aufsatz nOCh nicht;
„Daniel Grau als Zeichner". in Wiener jäh!-
buch riir Kunstgeschichte ls. 19515. 145 -
172, zur Hofbibliolhek: S. 1467148.
-) ein 1221. Merkwurdigerweise im "Katalog
der (iclufllde des I7. und lß. jzllrhuuderls
im Germanischer! National-Muschi!!!" von
1934 nicht aufgeführt.
i) Walther unblinw ki. Der Barockbau der
ehemaligen Hofhibliclrhek in Wien. ein
Werk l. u. Fischers von landen. Wien 1951
l: MuSt-inn, Veröfenrlichungen d. Österr.
38
Im. Nürnberger Entwurf grup-
pieren sich die Figuren annähernd
zu einem Parallelogramm. Dieses
Kompositionsschema ist in der
endgültigen Ausführung zu einem
Rhombus zusammengeschlossen
worden (die Astronomia thront
außerhalb). Daher erklärt sich die
Hinzufügung des kleinen Engels
unten in der Rosettenzone, der
die aufwärtsstrebende „gelehrte
Vorwitzigkeit" im Fluge unter-
stützt. Das rechte Bein dieses
Engels bildet dic untere, das Drei-
eck der göttlichen Weisheit die
obere Spitze des Rhombus. Die
verbindende Achse zwischen die-
sen beiden Winkeln ist identisch
mit dem Scheitel der Längstonne
des Raumes. Die anscheinend nur
geringe Änderung gegenüber dem
Entwurf auf der planen Fläche
bringt eine Wesentliche Straffung
7 auch im Literarischen des
Themas 7 der Komposition
mit sich, die der sich gegen-
seitig steigernden Wirkung von
Malerei und Architektur zugute
kommt.
Die zweite Veränderung ergibt
sich von selbst aus diesem neuen
Kompositionsschema. Die aufdem
Nürnberger Bilde in der linken
oberen Ecke sich in den Wolken
tummelnden Engel werden von
Gran gestrichen (dgl. das Fisch-
zeichen des hinter den Engeln
niedergehenden Zodiakus). Statt
dessen gibt er einen außerhalb des
Figuren-Rhombus über den Rah-
men fliegenden Engel, über dem
sich ein Tuch wie ein Segel auf-
blaht, das ihn in die Lüfte zu ent-
führen scheint. Kompositorisch
gibt dieser kleine Engel das Ge-
gengewicht zu der schweren, über
den unteren Bildrahmen hinaus-
greifenden Gruppe.
Auch farblich ist die Ausführung
klarer 7 fast klassizistischer 7
geworden, denn das im Nürn-
berger Bild eine hell-leuchtende
Aura um sich ausstrahlende Drei-
eck der göttlichen Weisheit steht
im Fresko scharf konturiert vor
dunklen Wolken. Der kleine, un-
ten hinzugefügte Engel mit seinem
Nationalbibliothek in Wien. NF., 2. Reihe.
Bd. 1), s. 142.
s) Aufbewalm in der Wiener Nationalbiblio-
lhCk: cbd. Vindoll. Nr. vlis ungekürzt
vrraslrenilirlir bei Bucliowicc s. 90-112.
s) Das Programm Albrechts spricht von der
"Seite des Friedens" und der „Seite des
Krieges", WOlIll! die beiden Seitlich des
Kllppelraunles sich anschließenden nnnn-
icili: gemeint sind.
ß) rdl. 41r fol. 4iv, bei Buchowiecki s. 109
bis H0.
7) Wilhelm Mrazek. Die barocke Decken-
n-lzlerei in der l. Hälfte des I8. Jahrhunderts
in Wien und in den beiden Erzhcrmgrulnern
Ober und Unter der Enns. Ein Beitrag zur
lkonologic der barocken Deckenrnalerei.
154.2: Versuche und Ergebnisse. Diss. Wien
dunkel heschattcten Körper und
den strahlend hellen Flügeln da-
hinter ist die reziproke Entspre-
chung in der Farbe zu den Gegen-
pnlen der linearen Komposition.
Auf die von Albrecht geforderte
brennende Kerze auf einem Her-
zen, als Beigabe der gelehrten Be-
mühung, verzichtet Gran im
Fresko, da dieses sehr kleine De-
tail bei der Höhe des Raumes
ohnehin nicht mehr sichtbar wäre.
Die Nürnberger Ölskizze lehnt
sich engstens an dic mehr hand-
werkliche als künstlerische Feder-
zeichnung im Codex Albrecht
an 3). Die lavierte Federzeichnung
Grans9), die bereits alle diese Ver-
änderungen des Freskos aufweist,
dürfte nach dem Nürnberger Bild
und unmittelbar vor der end-
gültigen Ausführung entstanden
sein. Die Ölskizze steht also an
zweiter Stelle innerhalb der Ent-
wicklung der Vorarbeiten.
Buchowiecki veröffentlichte zwei
Ölbilder Stift Wiltcn bei
lnnsbrucklo), die Entwürfe für
die beiden Lünettenbilder über
den Säulen des Kriegstraktes der
Hofbibliothek sind. Auffallend
ist, daß ihre Maße (45 cm X
89 cm) in etwa die gleichen sind
wie bei dem Nürnberger Bild
(Berücksichtigung des etwas an-
deren Formates der Fresken!)
und daß sie ebenfalls im Vergleich
mit den ausgeführten Fresken
kleine Veränderungen aufwei-
senll). Buchowiecki bezeichnet
die Wiltener Stücke als typische
Kontraktmalereienlz), die der
Künstler seinem Auftraggeber
vorzulegen hatte. Diesen beiden
Werken Grans läßt sich das Nürn-
berger Bild des Meisters als
drittes innerhalb dieser Bildgat-
tung für die Wiener Hofbiblio-
thek zuordnen. Seine Entstehung
dürfte unmittelbar vor dem Ar-
beitsbeginn von 1726 oder noch
während dieses Jahres anzusetzen
sein; denn die bei der Restau-
rierung 1955 freigelegte Datierung
„l726" befindet sich auf der dem
Göttlichen-Weisheits-Fresko zuge-
kehrten Lünetteß).
aus
1947. Maschinensrhriftl, Exemplar des Zell-
lraümriluzcs für Kunsigcsdlichlc iii Mun-
chen. S. 214.
K) Hinweis u. Abbildung verdanke ich Dr. W.
Mrazek, Wien, Österr. Mnrbnni rnr ange-
wandte Kunst. Autorschaft d. Zeichnung
unbekannt. Buchowiecki nimmt hierzu nirllr
Stellung Für Gran ist sie zu pedantisch.
9) Buchowlecki, Abb. Nr. 54. Zllr Tra-
dierung und Bestimmung, derselbe. 5.144.
w) s. 145,146, Ahh. Nr. 45. 4a.
H) Andere Knprlinllnng des klticenclcn Mannes
im Miitelgrunil (lluchnwiecki, Ami. Nr. 45
und 35); fehlendes Stillehcll von Lanze und
Heimen in der Mitrc LlUS Vordcrgrundts
(Bucllowiccki, Abb. Nr. 4a nnd a7).
w) 5.145.
U) Buchnwiecki. S. 142.
1 Landschnll bei Caux lnil auf-
steigenden Wolken. m1. Kumx-
haus 21mm
2 Der Student(Selbstbildnis),1874.
Kunsthaus Zürich
HANS BISANZ
Ferdinand Hvdler"
7853-7978
Der Schweizer Maler Ferdinand Hodler wurde im gleichen ]ahr und Monat wie Van Gogh, am 14. März 1853, in einem Elends-
viertel Berns als Sohn eines Tischlermeisters geboren. Er wuchs in trostlosen materiellen Verhältnissen auf und verlor seinen
Vater bereits mit 5 Jahren, seine Mutter, die inzwischen zum zweitenmal heiratete und nach Thun übersiedelte, mit 14 Jahren.
Viele seiner Geschwister und llalbgeschwister starben bereits im Kindesalter. Nach dem Tode des Stiefvarers nahm ein Bruder
der Mutter die Kinder bei sich aufl).
Im Alter von 14 Jahren wurde l-lodler zu dem Maler Ferdinand Sommer in die Lehre gegeben, bei dem er auf schnellstem Wege die
Anfertigung von Veduten erlernen mußte, die von Touristen in großen Mengen gekauft wurden. Dieser Hiichtige Unterricht machte
es Hodler möglich, auch nach dem Verlassen dieser Werkstatt und nach seiner Übersiedlung nach Genf im ]ahre 1871 seinen Lebens-
unterhalt in bescheidenen Ausmaßen selbst zu verdienen. [n Genf machte er die Bekanntschaft des lngresxSchülers Barthelemy Menn.
Dieser leitete hier eine Zeichenschule und forderte von seinen Schülern, seiner eigenen Ausbildung entsprechend, größte Sorgfalt im
Aufbau der Komposition, der Entwicklung der Umrißzeichnung und der Wiedergabe plastischer XVerte. Diese Aufgaben, um Weitere
vermehrt, stellte Hodler im ganzen Verlauf seines späteren Schaffens auch sich selbst, so daß dem Unterricht bei Menn bezüglich der
Wahl der Gestaltungsmittel große Bedeutung zukommt.
Die ersten selbständigen Arbeiten, mit denen Hodler hervortritt (Abb. 2), zeichnen sich zumeist durch dunkle Farbtöne aus und erinnern
dadurch an die Frühwerke von Cezanne und Van (jogh. Eine Spanienreise im Jahre 1878, über deren nähere Umstände wenig bekannt
ist, führt zu einer relativen Aufhellung dieser vorwiegend aus Erdtönen zusammengesetzten Palette. Hodlers Werken aus der Zeit von
1872 bis 1890 ist, von Ausnahmen abgesehen, ein objektiver Naturalismus gemeinsam. Darüber hinaus lassen manche dieser Arbeiten,
wie etwa das Selbstbildnis „Der Student" (1874, Abb. 2), auch Versuche sichtbar werden, durch Anwendung einer strengen Axialität und
Betonung vertikaler und horizontaler Parallelen ordnend im Bildaufbau einzugreifen, worin man die Früchte der Ausbildung bei Menn
und, zurückblickend von den Spätwerkcn Hodlers, Vorstufen für seine weitere Entwicklung erkennen kann. Zu dem Titel dieses
Selbstbildnisses sei am Rande vermerkt, daß Hodler zeitlebens unter dem Mangel einer durchschnittlichen Schulbildung litt und als
Autodidakt die Versäumnisse seiner traurigen Kindheit nachzuholen versuchte. Eine Zcitlang trug er sich mit dem Gedanken, Geist-
licher zu werden, ein anderes Mal schwebte ihm der Beruf eines Privatgelehrten als ldeal vor.
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