ausgegossene goldige und doch milde Glanz hinzu, der alle die verschie-
denen leuchtenden Farben merochromisch, d. i. durch einen gemeinsamen
Ton harmonisch zusammenband und dadurch gewissermassen die Pracht
spätmittelalterlicber Goldbrocate mit der stillen und warmen Harmonie
indischer Farbencompositionen zu vereinigen wusste.
Bezeichnet uns diese Verbindung des Plattstichs mit dem Webestich,
der eine für Ausführung der Gesichter und Hände, der andere für die
Gewandpartien, die technische Höhe der figürlichen Stickerei, so gab es
damals, als sie vorzugsweise in Uebung waren, noch daneben eine dritte
Methode, die wir weniger rühmen wollen, ja die wir mit dem Kreuz-
stich als den Verderb der Stickerkunst bezeichnen müssen. Dies ist die
Reliefstickerei, eine Nachahmung der Plastik anstatt der Malerei, und somit
ein Verlassen des der Stickerei eigenthiimlich zugewiesenen Gebietes.
Vereinzelte Beispiele dieses Verfahrens finden sich schon im vierzehnten
Jahrhundert, indem man bei gestickten Gewändern zunächst dem Laub
eine reliefartige Bewegung gab, wie es sonst in Silber, Gold und Eisen
der Fall ist; man bog es, steifte es in der Biegung durch Kleister und
legte die gesteiften Blätter auf den Scidenstnif. Natürlich hinderte man
dadurch, was nothwendig hätte bleiben müssen, die Biegsamkeit und Nach-
giebigkeit des Gewandes. Dann ging man weiter und stopfte die Figuren
förmlich puppenartig aus und befestigte die Puppen auf die Ornate. So
sieht man aus dem Ende des fünfzehnten und aus dem Anfange des sechs-
zehnten Jahrhunderts die Gewänder mit Cruziiixen und Heiligen geschmückt.
Ein interessantes Beispiel aus Brünn vom Jahre 1487 befindet sich noch
gegenwärtig im österreichischen Museum. i
Vor dieser technischen Verirrung, die jeden Falteniluss, jede Schön-
heit der Draperie unmöglich macht und das Gewand zum Brett, zum
hölzernen Relief versteift, ist ganz besonders zu warnen, fast mehr noch,
als vor dem Kreuzstich. Will man die moderne Stickerei wieder zur
Kunst machen, so muss man auf die beiden technischen Weisen des Platt-
stichs und des Webestichs zurückgehen, allerdings nicht ausschliesslich,
denn derjenige, welcher in der Kunststickerei - von welcher wir hier
nur haben sprechen wollen - künstlerisch verfahren lernt, wird sich auch
verschiedene Nebenmethoden zu eigen machen, wie sie auch im Mittel-
alter ziemlich zahlreich im Gebrauch warcn. Sie hängen meist von der
Individualität des Meisters ab und von dem, was er an betreffender Stelle
erreichen oder wirken will, und sie entziehen sich darum einer eingehen-
deren Besprechung.