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die gütige Aufmerksamkeit Eines hohen k. k. Ministeriums für diese
Frage zu erbitten. Als Gründerin der mährischen höheren Webereischule
kam sie in die Lage, den Mangel an kunstgewerblicher Schöpfungskraft
zu erkennen und zu bedauern.
Vielfach behandelt, wie dieser Gegenstand bereits wurde, hält sich
die ehrerbietigst unterzeichnete Kammer nicht für verpflichtet, Vorschlage
für die Organisation eines solchen in enge Verbindung mit dem Museum
zu bringenden Institutes zu machen, auch hält sie dies über den Kreis
ihrer Befugnisse hinausgehend. Sie glaubt, ihrer Piiicht genügt zu haben,
wenn sie, dem durch die diesmalige Ausstellung gegebenen Impulse Folge
leistend, Ein hohes k. k. Ministerium bittet, seinen mächtigen Einduss
zu Gunsten dieses vielfach besprochenen, vielfach gewünschten und in
seiner Nothwendigkeit von keiner Seite bestrittenen Institutes äussern
zu wollen.
In dem weiten, Einem hohen k. k. Ministerium erschlossenen Wir-
kungskreise dürfte keine Schöpfung sein, deren Inslebentreten mit gleicher
Befriedigung erfüllen und eine gleich nachhaltige Wirkung zu äussern
berufen sein dürfte.
Brünn am 13. Juli 1867.
Die Handels- und Gewerbekammer.
Die Kunstindustrie von Nord- und Süd-Deutschland. '
J. F. Deutschland hat von jeher den Ruhm des Gewerhedeisses gehabt und hat
diesen Ruhm durch die Welt getragen. Es galt aber auch ganz vorzugsweise, wenigstens
neben Italien und bis zum Anfange des 17. Jahrhunderts, mit vollem Recht als die Heimat
der Kunstindustrie. Nürnberg, Augsburg, Köln, Ulm u. s. w., seine blühendsten Städte
von ehedem, verdankten Blüthe und Wohlstand in erster Linie ihren kunstindustriellen
Artikeln und noch beute sind die alten Watfenstiieke und die edlen kunstvollen Guld-
schmiedearbeiten der süddeutschen Städte, die Krystalle von Prag, die durchweg als ita-
lienisch zu gelten pdegen, die Stickereien und mit Figuren gezierten Teppiche vom Nieder-
Rhein, die alten Emails von Köln u. s. w. der Stolz der Kunstcabinete, die Favoritstiicke
der Liebhaber und Sammler, die Beute, wonach die kunstliehenden Reisenden Englands
gierig jagen.
Vergebens aber durchforscht man heute die Weltausstellung nach solchen Arbeiten
deutscher Kunst. Der Gewerbedeiss ist sicherlich geblieben, die Fabriken sind riihrlg aller
Orten und ihre Kolossalität und Leistungsfähigkeit setzt hie und da selbst die Welt in
Staunen, aber die Kunst, der Geschmack ist davongegangen. Sagen wir es gerade heraus,
denn ohne Offenheit und Sellnstgestlindniss ist keine Besserung, kein Fortschritt möglich
- sagen wir es also gerade heraus, in dieser Beziehung vom Standpunkte der Kunst-
industrie und des Geschmacks ist die ganze deutsche Section, Preussen mitinhegriden, die
uninteressanteste und langweiligste Abtheilung auf der ganzen Ausstellung, nicht als ob
keine Kunstindustrie vorhanden wäre, im Gegentheil, es findet sich von allen Arten etwas,
aber der Charakter ist es, der Mangel an Frische, Schwung, Originalität, die Theilnahms-
losigkeit an dem rüstigen Kampfe, der sich jetzt auf diesem Gebiete rührt, das ist es, was
den Arbeiten der deutschen Kunstindustrie alles Interesse nimmt.
Hie und da hat sich wohl im Süden Deutschlands noch etwas nationale oder rich-
tiger lccale Industrie erhalten, wie die Schnitzereien in Elfenbein und Bein von Nürnberg
oder von Geissliugen in Württemberg, aber es sind Spielereien und Tand, die des Cha-
rakters entbehren und an Feinheit und Zierlichkeit noch weit hinter den ähnlichen Arbeiten
der Chinesen zurückstehen. Bedeutender vom volkswirtbschaftlichen Standpunkte aus ist
die Schwarzwiiider Uhrenindustrie Badens und Württembergs, auf welche man, statt der