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tigkeit gar nicht hoch genug zu schätzen ist, ein Museum in Berlin noth, denn sonst
könnte bald genug den Berliner Anstalten dieses Monopol entrissen werden. In richtiger
Würdigung dessen hat auch Wangen für das neue Gewerbemuseum i.n Berlin eine An-
zahl vorzüglicher orientalischer Stickereien ausgewählt, wie er denn überhaupt in dem
Ankauf für diese Anstalt seinen feinen sltgewiegten Kunstsinn hat walten lassen, so dass
es ein Vergnügen ist, die Gegenstände zu sehen, welche das „Vendu au Musäe indnstziel
de Berlin" tragen. - (W. Z.)
Die Kunstiudnstrie der Schweiz.
J. F. Das alte Volk der Schweizer hängt bekanntlich am Alten, an ererbter Sitte
und Herkommen. Nicht so in seiner Industrie: hier geht es mit der Zeit und schreitet
unter den ersten mit der Mode einher. Es hat sich schon im Arrangement seiner Aus-
stellung auf diesen Standpunkt gestellt. Während andere Völker, die von Alters her den
Holzbau pflegen, ihn und seinen Styl an ihren Portalen und sonstigen Decorationen zum
Ausdruck gebracht haben, hat die Schweiz diese Reminiscenz ihrer Berge völlig verschmäht
und moderne Salons fiir ihre modernen Fabricate eingerichtet.
Fragen wir nach den Eigenthümlichkeiten der schweizerischen Fabrication, so müssen
wir sie in den Zweigen der Kunstindustrie suchen, nicht in dem ewaigen Kunststyl. Wir
beginnen in ihrer Erörterung mit demjenigen, was der Schweiz am eigentbümlichsten
erscheint, mit den Holzschnitzereien, die in grossen und kleinen Arbeiten durch die Welt
gehen. Wir wollen hier nicht von der Volksindustrie der Schweizerhäuscben, der Land-
schaften mit Thieren u. s. w. reden, wobei es eigentlich keine Kunst gibt, sondern von
den anspruchsvolleren Arbeiten, Gehäusen für Blurnenvasen und Blumenbehiilter, für Stand-
und Wsnduhren u. s. w., Werke, die zur Zierde des modernen Salons bestimmt sind. Alle
diese Gegenstände sind durchweg im vollständigsten Naturalismus gehalten, ausgeführt im
Hochrelief, blos mit der künstlerischen Absicht, die Natur nachzuahmen, nicht aber schöne
Formen, schöne Profile, schöne gezeichnete Ornamente geben zu wollen. Die Gegenstände
dieses Kunstzweiges sind Felsen, Biiume, Menschen, Thiere, das ganze Natnrreich der
Schweiz. Wie geschickt auch immer gemacht, so sind es doch immer nur Arbeiten und
kaum Kunstwerke zu nennen. Das Gefährliche ist, dass diese, allerdings heute in der
Welt beliebte Art um sich greift und auch auf andere Industriezweige übergeht. So ist
die Schweizer Möbelfabricaticn odenbar davon angesteckt, zum mindesten in allen den
Gegenständen, die mehr Luxusgeräthe sind. Andere Möbel stellen sich ganz auf den Stand-
punkt der besten französischcn Arbeiten dieser Art, wie die grossen Kästen, Credenzen
u. dgl. Sie sind in Weise der späteren Renaissance construirt und mit einzelnen Figuren,
Medaillons, Festons u. s. w. in Relief verziert.
Den zweiten Hauptzweig und auch wohl Haupteigentbiimlichkeit der Schweizer Kunst-
indusnie dürfen wir in den Weissstickereien suchen, seien sie nun Arbeiten der Hand oder
der Maschine. Davon haben namentlich die Fabriken von St. Gallen und Herisan grosse
und glänzende Ausstellungen gemacht und ganze Salons damit eingerichtet und iiberkleidet.
Durch die Mechanik befähigt, im Grossen und mit verhältnissmässiger Billigkeit zu arbeiten,
hat dieser Kunstindnstriezweig, wenn wir die sinn- und formlosen Spitzenmuster des vori-
gen Jahrhunderts damit vergleichen, auch in der Zeichnung einen bedeutenden Fortschritt
gemacht. Allerdings hat auch er sich vorzugsweise dem Naturalismus ergeben, aber der
Naturalismus ist hier weniger gefährlich, weil die Kunshnittel, mit denen er zu wirken
hat, zu bescheiden sind, um solche Geschmacklosigkeiten zu begehen, wie wir sie z. B. in
der Teppichfabrication zu sehen gewohnt waren.
Die Kunstmittel hier sind beschränkt auf die eine Farbe Weiss, und den Contrast
und die Zeichnung bildet allein die grössere oder geringere Dichtigkeit des Gewebes, das
engere oder weitere s jour. Da also nicht zu fürchten ist, dass die Zeichnung reliefarüg
aus der ihr gegebenen Fläche beraustritt, so lassen sich ganz anmuthige Composkionen,
welche selbst die ganzen Flächen bedecken können, hier in naturalistischer Weise hervor-
bringen, nur müssen sie, dem Material entsprechend. einigermassen zierlich erhalten sein.
Selbst Composiüonen in der Art Watteauls, wie derselbe sie so reizend für Wand- und
Vorhängdecorationen erfunden hat, könnte man mit möglichster Beschränkung der Figuren
fiir diesen Industriezweig angemessen finden. Es muss dabei freilich immer vorausgesetzt
werden, dass diese Stode nur solche Verwendung finden, in welcher sie ausgespannt blei-
ben, denn, je reicher und kunstvoller die Composition ist, um so weniger lK-ilm m!!! Sich
ihre Zerstörung durch Brüche und Falten gefallen lassen. Für solchen Fall ist ein klei-
neres, sich regelmässig wiederholende: Muster vorzuziehen.
Die Schweizer haben beide Ornamentationsweisen benützt. Für grosse Vorhänge