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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1867 / 24)

FELD 
mit einem Worte der an classischen Werken geübte und durch ihre 
häufige und verständige Betrachtung gelauterte Geschmack. 
Müssen wir auch zugeben, dass französische Erzeugnisse in vielen 
Fällen der reizenden Form die innere Solidität zum Opfer bringen, so 
können wir uns doch nicht verhehlen, dass uns der entgegentretende 
Sinnenreiz die mangelnde Solidität nur zu leicht vergessen macht. 
Mit Wohlgefallen haftet das Auge des in der französischen Abthei- 
lung weilenden Beschauers hier an dem lieblichen Farbenspiele, dort an 
der Anmuth der Umrisse, verfolgt hier mit Lust den Reiz der Ccntoureu, 
dort das neckische graziöse Spiel der umgrenzenden Linien. 
Nüchtern und kalt erscheint unsere Abtheilung, tritt man in sie ein 
unter dem Eindrucke dessen, was der französische Bronzeguss oder 
Frankreichs Glas, Porcellan-, Tapeten, Blumen- etc. Erzeugung zur Aus- 
stellung brachte. Oesterreichs Gewerbe verfolgen zumeist noch reine 
Nützlichkeitszwecke; Beachtung der Form erscheint überüüssig, häufig 
auch als Zeichen der Unsolidität. Namentlich bei kleineren Gewerbsleuten 
tritt diese Erscheinung in einer unangenehm berührenden Weise entgegen. 
Der Leuchter wird eben nur als kerzentragender Cylinder, der Topf, das 
Glas als ein zur Aufnahme von Flüssigkeit bestimmter Körper aufgefasst. 
Dieelbe nüchterne Auffassung tritt uns nur allzuhäutig bei Möbeln, 
Rahmen, Bucheinbänden, Uhrenkästen, Oefen etc. entgegen. 
Völlig abgesehen von der Bedeutung, welche eine gefällige, ange. 
nehm berührende Erscheinung der uns zumeist umgebenden Dinge für 
die Erhöhung des Wohllebens, Verfeinerung der Sitte u. s. w. haben, 
ist die ausserordentliche Steigerung zu berücksichtigen, welche der Na- 
tionalwoblstand durch liebevollere Behandlung der Form in der Dar- 
stellung der gewerblichen Erzeugnisse erhält. 
Es bedarf keiner Hinweisung auf die Werthsteigerung des Gold- 
klumpens bei seiner Verwandlung in Geschmeide, des rohen Eisenstlickes 
bei seinem Uebergange in feine Stahlwaare, des Glasilusses in seiner 
Umgestaltung zu fein geschliifenem Krystallglase: an jedem beliebigen 
Artikel lasst sich dieselbe Erscheinung als immer wiederkehrendes Gesetz 
nachweisen, dass er in demselben Masse werthvoller wird, als dem Geiste 
an seiner Schaffung grösserer Antheil eingeräumt wurde. 
Gerade in diesem Augenblicke aber, in welchem die Concurrenz 
grosser mächtiger Productionskreise, wie sie ganze Staaten repräsentiren, 
mehr und mehr entfesselt wird, erscheint eine grössere Berücksichtigung 
der formalen Darstellung als absolute Nothwendigkeit. Man will nicht 
blos solid gearbeitete Waaren, sondern verlangt von ihnen auch gßffxllige 
Erscheinung, ja noch mehr, in vielen Fällen ist man geneigt, das Gefallen 
an der Form auf Kosten des Gehaltes zu befriedigen. In dem Masse, 
als die Communicationsmittel sich mehren und die Verkehrsbeziehungen 
nnter den Völkern sich häufen, wird daher der gewerblichen Production,
	        
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