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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1867 / 25)

Es würde uns hier zu weit fuhren, wollten wir alle die verschiedenen Seiten der 
Kunstthätigkeit besprechen, mit denen das venezianische Glas auf der Pariser Ausstellung 
aufgetreten ist und mit dem englischen und französischen Glase um die Palme ringt. Wir 
greifen nur die künstlerisch wichtigsten heraus. Zunächst müssen wir da, irn Anschluss 
an die übrigen Mosaikarbeiten, der Glasmosaik gedenken , mit welcher auch Dr. Salviati 
seine in der industriellen Geschichte Venedigs vielleicht Epoche machenden Bestrebungen 
begonnen hat. Das ist jene ursprünglich byzantinische, dann auch lange in Venedig geübte 
Kunst, von denen noch die Wände und Wölhungen von S. Marcus, B. Vitale in Ravenna, 
B. Sophia in Constantinopel und anderen Kirchen bedeutende Ueberreste zeigen, die gross- 
artigste wirkungsvollste und zugleich dauerndste Wanddecoration, die sich denken lässt. 
Grössere oder kleinere meist quadratisch geformte Stückchen Glas von allen Farbennunnoen, 
unter denen sich auch das Gold leicht und von besonderer Solidität herstellen lässt, werden 
in einen Kitt gedrückt und durch denselben verbunden; die grössere Entfernung vom 
Auge macht, dass die Fugen verschwinden, die Farbentönc auf der Netzhaut völlig ver- 
schmelzen und die Oberfläche, welche rauh und brüchig bleibt und nicht abgeschliden 
wird, dennoch glatt und eben erscheint. Im Wesentlichen ist es also die römische Mosaik, 
nur im Grossen ausgeiihrt und auf grosse Flächen angewendet. Das ist auch zumeist die 
bisherige Verwendung dieses Kunstzwciges, so wird derselbe bereits vielfach in England, 
z. B. in der Grabcapelle des Prinzen Albert in Windsor, in St. Pauls, im South-Kensington- 
Museum, benützt und finden wir auch verschiedene Beispiele von Salviati in der grosseu 
Ausstellung zu Paris. Andere Beispiele dieser Glasfshrication zeigen aber, dass dieselbe 
Mosaiktechnik sich auch vielfach auf kleinere Verhältnisse anwenden lKsst und dass man 
Porträts in ihnen herstellen kann, deren Wsrth in fast ewiger Unveründerlichkeit besteht. 
Wir unterschätzen die Bedeutung dieser wahrhaft monumentalen Decoration nicht, 
fast mehr Werth möchten wir aber noch auf einen anderen Zweig der Glasindustrie legen, 
den Salvati seiner Vaterstadt wieder gewonnen hat. Das sind die leichten und zierlichen 
Glasgetäisse und Glssgeräthe des I6. und 17. Jahrhunderts, die uns heute nur aus den 
Kunstcabinetten und von den Bildern Paul Veronese's und der Niederländer bekannt sind. 
Was diese Gefässe, die heute ausserordentlieh geschätzt und bezahlt werden, auszeichnet, 
das ist der Stempel einer grossen Kunstperiode. in der sie entstanden sind, das sind ihrs 
zierlichen, eleganten Formen, ihre ausscrordentliche Leichtigkeit, die wunderbare technische 
Geschicklichkeit, die sich in den eingesponnenen Fäden, in den angesetzten, kunstvoll ge- 
zogenen Flügeln zu erkennen gibt. Es ist aber nicht das allein, womit sie gegen die 
heutigen, meist schweren und plumpen Formen der Glasgeflisse in die Schranken treten 
und möglicher Weise einen völligen Umschwung in diesem Kunstzweige hervorrufen 
können: es oßenbart sich in beiden Arten ein entschiedener Gegensatz. 
Die charakteristischen Eigenthümlichkeiten des Glases sind allerdings einerseits 
seine Dnrchsichtiglreit, andererseits seine Leichtigkeit und Debn_ und Ziehhsrkeit, wie 
wir sagen wollen, um nicht das Wort Ductilität zu brauchen. Das moderne Glas, welches 
vorzugsweise zu Gefissen und Gerithen benützt wird, hat nun die eine Seite, die Klar- 
heit und Durchsichtigkeit, allerdings auf den höchsten Grad gebracht, hat darüber aber 
Farbe, Leichtigkeit und Dehnbarkeit eingebiisst; ja man kann gewissermassen sagen, 
indem es allerdings nach der einen Seite hin sich tlusserst vervollkommnet hat, dass es 
sich selber, seine Eigenthümlichkeit aufgegeben und nur dahin getrachtet hat, einem an- 
deren Mineral, dem Rrysrall, möglichst ähnlich zu werden. Seine techuischeEigenthüm- 
lichkeit besteht nun nicht sowohl im Geblssenen, als in Schliff und Politur. Dieser Ver- 
iudening gegenüber führen die neuen venezianischen Gläser, gleich ihren alten Vor- 
bildern, das Glas gewissermassen wieder auf sich selbst, auf seine eigens Natur zurück ; 
sie geben die krystallhells Durchsichtigkeit auf, verschaffen ihr aber auf's neue die wun- 
dervolle Ziehbarkeit, mit deren Hilfe die alten Venezianer wabrhaß stauncnswürdige Lei- 
stungen gemacht haben, und desgleichen die papierene Leichtigkeit, so wie nicht minder 
Farbe und farbige Verzierung. Indem so das geblasene Glas wieder mit dem geschliffenen 
in Kampf tritt, bringt es noch ein anderes Moment mit sich, worin sich nicht minder ein 
Gegensatz ausspricht. Das geschliffene Glas ist im Wesentlichen ein mechanisches Pro- 
duct: die ausführende Hand ist dabei rein reproducirend. Nicht so bei dem geblaseneu 
Glas, wenn es sich zum Kunstwerk erheben will. Die Zeichnung überhebt die Hand des 
Glasblisers nicht des künstlerischen Gefühls; da der Zufall hier 0B. ausserordentlich mit- 
wirkt und oft Veränderungen hervorruft, denen der Arbeiter sich zu aceommodiren hat, so 
muss er selber Künstler sein und sich auf den Reiz von Fonn und Linie verstehen. Das 
Krystsllglas liefert die Geflisse volfkommen gleich, das geblasene änsserst schwer oder nie. 
Mag dies bei der gewöhnlichen Waare ein Nachtheil sein, so ist es bei Kunstproducten 
ein Vorzug, denn jedes geblaseue Geßss hat künstlerische Individualität und ist, genau 
genommen, ein Uuicnm, da es nicht in der Hand des Arbeiters liegt, ein vollkommen 
gleiches zu schiffen.
	        
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