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in Schatten gestellt wurde. Es verdient daher dieses, ohne jedwede Un-
terstützung und nur durch eigene Kraft erreichte Resultat, besonders
wenn man der vorausgegangenen misslichen Zeit gedenkt, gewiss alle
Anerkennung.
November 1867. Achilles Melingo.
Das Glas auf der Pariser Weltausstellung.
J. F. Nachdem wir bereits einige der Hauptländer der europäischen Cnltur in ihren
kunstindustriellen Schöpfungen und Eigcnthiimlichkeiten kennen gelernt haben, sei es
uns gestattet, von unserem gewöhnlichen Pfade abzuspringen und auf der Ausstellung
einmal den Weg der Ellipse, statt den der Radien, den wir bisher verfolgt haben, ein-
zuschlagen. Der Gegenstand, den wir auf diesem Wege suchen und besprechen wollen,
ist das Glas und zwar besonders das Krystallglas, da wir das geblasene Glas der Ve-
nezianer, ihre Mosaiken und farbigen Gliiser bereits ausführlicher gewürdigt haben.
Die Bedeutung, welche das Krystallglas gerade für uns, gerade für die österreichische In-
dnstrie besitzt, dient uns zur Veranlassung und Entschuldigung, dass wir den alten Weg
verlassen.
Es ist noch nicht so lange her, dass die böhmische Glasindustrie die erste der Welt
war und das geschliifene Glas Böhmens in allen Welttheilen den Markt beherrschte. Es
war auch schwer für ein anderes Land, in der Coucurrens dagegen aufzukommen, denn
Böhmen besass die Schule der Schleifer und Graveure, welche sich an der künstlerischen
Bearbeitung des echten Krystalls. die einst zu Prag blühte, hcraugebildet hatte mnd auf
das Kryrtallglas übergegangen war. Diese gute Tradition lieferte im siebenaehntcn und selbst
noch im achtzehnten Jahrhundert Kunstwerke von viel reinerem Geschmack und viel
schöneren Formen, als sie damals sonst üblich und bei ähnlichen Gegenständen zu finden
waren.
Den ersten Stoss erhielt die böhmische Glasindustrie durch die Engländer. Sie brach-
ten dns bleihiiltige Glas oder das Flintglas in Mode, welches bei krystallinischer Schlei-
fung in prismatischen Farben spielg während gerade die Böhmen ihr Glas so farblos wie
möglich, ähnlich dem echten Krystall, zu machen trachteten. Der neue Stoß empfahl sich
durch seine unlliugbaren Reize und es wurde dem böhmischen Glas ein grosser Theil
seines commerciellen Gebietes entrissen. Den verlernen Boden wieder zu erobern, führten
nun die Böhmen das gefärbte Krystallglas auf den Kampfplatz und verwendeten darauf
ihre Kunst der Schleifung und Gravirung. Es gelang ihnen auch zum Theil, was sie
wollten; wenigstens wurden diese Bubin- und. ßmaragdgläser u. s. w. ausserordentlich
populär und aufs neue überscbwemmte böhmischas Lnxusglas den Erdbuden. Unglück-
licher Weise traf das gerade mit der höchsten Entartung des Geschmacks zusammen, der
auch die Traditionen der böhmischen Glasgraveura allmlilig erlegen waren. Da nun auch
die Engländer keine formellen Reize au bieten hatten, so kam es, dass bis auf die neueste
Zeit das gesammte Krystallglas, farbig oder unfarhig, böhmisch oder englisch, von der
abscheulichsten Plumpheit und Ungestalt der Formen so wie von gemeiner armseliger Or-
namentation beherrscht war.
Immerhin war diese Oruamentation wenigstens dem Material angemessen und he-
ruhta auf seinen Eigenthiimlichkeiten. Nun kamen aber die Franzosen, welche eigentlich
in der Fahrication des Luxusglases wenig mitzureden hatten, beuiitzten den versunkenen
ästhetischen Zustand und Eihrten ihre Geschmacksweisen in die Verzierung des Glases
ein. Ihrem Einilusse ist die Verzierung der Glnsgefässe mit allen möglichen farbigen
Malereien zuzuschreiben. Dazu musste das Glas erst in einen porcellanähnlichen opaken
Zustand versetzt werden, wodurch man ihm seine Eigenthiimlichl-reit und seine Schönheit
nahm. Jedenfalls ist dies also die unangemesseusta Art künstlerischer Verzierung des
Glases, und darum an sich geschmacklos, mag die Malerei auch noch so schön ausgeführt
sein. Indessen wurde sie Mode, musste daher auch von den Böhmen neben ihrer Weise
angenommen werden und beherrschte leider so in den buntesten, verkehrtesten und wider-
sinnigsten Arten, wie zur Genüge bekannt, das Glas als Luxusgeräth: So war man denn
aur Entartung der Formen noch dahin gekommen, die Schönheit auf einem ganz verkehr-
ten Wege zu suchen.
Wieder waren es die Engländer, welche, diesen Zustand der Dinga erkenneud, das
Glas künstlerisch gewissermasseu auf sich selbst znrlicküihrten. Wie wir das schon in der
Besprechung der englischen Kunstindustrie angedeutet haben, gründeten sie die ästhetische