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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1867 / 27)

Reform auf die Eigenschaüen des Glases, auf seine Farbenbreehung, seine Klarheit und 
Durchsichtigkeit, und erkannten, dass sich damit schöne Gefiiashildung verbinden lassen 
müsse. Für diese waren die Vorbilder in den Gcfässen der Griechen und der Renaissance 
gegeben. Die Eigenschaft prismatischer Farbenbrechung führte die Engländer dahin, cry- 
stnllinische oder diamautirte Schleifuug der Oberflächen zum Priucip zu erheben und den 
möglichsten Eiiect farbiger Lichter zu erzielen, um einerseits dem Saal durch Lustres, 
andererseits dem. Speisetisch durch das Tafelgeschirr die Reize eines brillanten Farben- 
spiels zu gewähren. Die Klarheit und Durehsichtigkeit des Materials aber benützten sie in 
der Weise, wie man im sechszehnten und siebeuzehnten Jahrhundert den echten Krystall 
verziert hatte, sie umgeben die Gefliase nämlich mit den reisendsten Verzierungen orua- 
mentaler oder figiirlicher Art, die entweder eingescbliEen oder eingeätzt waren und durch 
grössere oder geringere Verzierung wie Lichtbilder sich in zartestem Relief modellirten. 
Mit dieser reformirten Kunst, deren Anfänge man schon auf früheren Ausstellungen 
gewahrte, sind sie gegenwärtig auf der Pariser Ausstellung in einer so vollendeten, all- 
gemeinen nnd gleichmäßigen Weise aufgetreten, dass fast nichts zu wünschen übrig 
bleibt. Wir können an diese englischen Krystallglasgefüsse, die mit wenigen Ausnahmen 
sämmtlich farblos sind, den höchsten ästhetisch-kritischen Msssstab anlegen und sie wor- 
den Stand halten; will man sie auf Reinheit des Materiales, auf Schliff und Politur prüfen, 
so wird man sie auch darin nicht minder ausgezeichnet finden. Das ganze Genre erscheint 
bereits so vollkommen, der Weg, der hier eingeschlagen ist, so richtig, dass kaum etwas 
übrig bleibt als sich anderswo mit der gleichen Energie darauf einzulassen. Böhmen würde 
ohnehin nach der einen Seite nur auf seine alte ruhmvolle Tradition zurückkehren. Der 
ausserordentlich hohe Preis, in welchem einige dieser englischen Gefüsse stehen, ist kein 
Hinderuiss, denn die reiche und allerdings ganz wunderbar ausgeführte Verzierung ist 
nicht nothwendig und die einfache edle Form ist sicherlich nicht theurer als die plumpe 
und oR complicirte, die wir heute bei jenen Gläsern ünden, deren wir uns zu bedienen 
fle en. 
p g Dass hiemit von den Engländern nicht blos der richtige Weg, sondern auch der 
folgenreiche Weg eines völligen Umschwunges gefunden worden, dieser Wahrnehmung 
konnten sich selbst die Franzosen nicht entziehen, obwohl die neue Weise, nur auf ein- 
fache, ungeschminkte Schönheit bedacht und allem Reiz des Neuen und Piknnten und 
einer schwer auftretenden Verzierung entsagend, gerade der französischen Art völlig wider- 
streben musste. Schnell gefasst und gewandt, wie die Franzosen in kunstindnstriellen 
Dingen sind, haben sie rasch den ersten Fingerzeig der Nachbarn aufgegriden und die 
neue Bahn mit gleicher Energie, wenn auch durchaus nicht ausschliesslich befolgt. 
So sehen wir denn auf der Ausstellung in der französischen Abtheilung dieses Genre 
das Kunstglases, welches man nach dem Ursprung und dem heutigen Stand der Dinge 
als das specifisch-englische bezeichnen muss, iusserst zahlreich vertreten, ja wenn man 
die Zahl und die äussers Grösse der Leistungen in Betracht zieht, so dürften die fran- 
zösischen Arbeiten die der Engländer fast überwiegen. Der Raum, den sie sich angespro- 
chen haben, gestattete ihnen in grossnrtigerem Masstabe auszustellen, und die Mittel, welche 
Compagnien, wie denen von Baccarat und von St. Louis zu Gebote standen, befähigten sie 
Gegenstände des Luxus zu schaffen, die blos vom Staudpnnct der Kolossalität betrachtet, 
staunenswiirdig sind. Aber gerade diese ungeheuren Lustres, Candslaber, Bruunenschalen 
von Krystallglaa sind, ästhetisch betrachtet, Monstra, und selbst ihr Material erscheint, im 
Gegensatz zum englischen, stumpf, bleiern, eisig und farblos. Was die kleineren Geflisse 
und Gerätbe im englischen Stil betrifft, so würde es ungerecht sein, zu verkennen, dass 
nicht viele unter ihnen sind, gelungen in Form, Aetzung oder Gravirung, viele, die sich 
z wohl mit den englischen vergleichen Lassen, aber mit ihnen gemischt finden sich 
zahlreiche Beispiele sehr gescbmackloser Formen, die nur der Sucht der Franzosen, nach 
Neuheiten, nach Varietäten und Absonderlichkeiten ihr Dasein verdanken. F" denjenigen, 
der auf Schönheit und Vollendung sieht, dem das Wort Neuheit gar nicht existirt im Reiche 
der Kunst, üir ihn verderben sie nur den Eindruck der Exposition; sie sind der Schmutz, 
der das klare Wasser trübt. 
Wir haben gesagt, dass die französische Glosindushrie dieses englische Genre nicht 
ausschliesslich verfolge, und in der That bildet es nur einen Theil der Ausstellung. Die 
französische Knnstindusnie will allumfassend sein. Versucht wenigstens, wenn auch min- 
der nachdrücklich verfolgt, sind die verschiedenen Arten der älteren venezianischen Glas- 
industrie, so das Filigran, aber es erscheint weder die Leichtigkeit des Materials, noch die 
Anmuth der alten Formen erreicht; letztere sind meist durch die capriciösen Formen der 
Franzosen ersetzt. Aber alle Arten des farbigen Glases der Böhmen finden sich auch bei 
den Franzosen, welche daneben noch unverändert ihre eigenen Ornameutationswoisen üben, 
insbesondere Malereien auf poreellanartigem oder sonst opakem und farbigem Glase. Wir 
brauchen hiernicht erst zu sagen, dass diese Malereien thcilweise von ganz vorzüglicher 

	        
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