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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1867 / 27)

hundert wild und barock, oh ganz formlos, Linlenschönhsit und kunstvoll klare Compo- 
sition verachtend, sind sie all gegen den Ausgang des 18. Jahrhunderts lllllllßf 
und bescheidener geworden; wollte och überhaupt der Geschmack der Revolutionsperiode 
von den Spitzen als einer gar zu luftig leichmn Decoration nichts wissen und liess die 
Fabriken in Verfall kommen und die Klöpplerinnen darben. Napoleons Bemühungen um 
die Hebung dieser Indush-ie, die von seiner Krönung an begannen, niitzten wenig; die 
schwere, steife und phantasielose imperialistische Ornamentation widerstrehte dem urten 
Genre und es wollte sich weder das Geihllige im Fabricat, noch das Gefallen bei dem 
Publicum einstellen. Erst langsam kam mit der Restauration und der freieren und wei- 
teren Gestaltung der Damentrncht die Spitzenlust wieder zurück und erhob sich mit Hilfe 
der Maschine zu einem selbst früher ungekannten Luxus. Die Maschine hat aber nicht 
blos den Gebrauch erweitert, sie hat auch auf den Kunstsül eingewirkt. An sich konnte 
es nicht ausbleiben, dass der moderne Geschmack an naturalistischer Ornamentation, an 
Blumen und Banken, auch auf die gesammte Spitzenfahrication iiberging; die Maschine 
gewährte aber die Möglichkeit, solche Muster im Grossen suszntiihren, und die Handarbeit 
musste nach Möglichkeit bestrebt sein, den Leistungen der Maschine zu folgen. So ent- 
shndeu die kolossalen Bouquets, ganze Blurnenglrten und Blumenwiesen, Vorgrundstudien 
grossblittriger exotischer Gswlchse, die sich iiber die vollen Flächen der Shawls so wie 
der Vorhänge und Uebeniige ansbreiteten, gerade wie auf den Fussbodenteppichen, nur 
freilich allein in Weiss, ohne die wilde Farbenfille und daher von bescheideuerer Wir- 
kung. Nichtsdestowaniger ist diese Manier in ihrer Uebertreibung dem bescheidenen Ma- 
terial unangemessen, und um so mehr, als die meisten Gegenstinde bestimmt sind, ge- 
brochen und gefaltet zu werden, wodurch das Muster zerstört wird. Mehr und mehr, 
wenn auch langsam, scheint man schon von solcher Uebemeibung zurückzukommen, und 
hie und da sieht man, wenn auch nicht gerade regelmüssige und stilisirte Muster, doch 
feinere und zierlichere, die mit dem Stoß mehr in Harmonie sind. Wenn man diese Be- 
merkung besonders in Belgien macht, im Gegensatz gegen die Schweiz, so liegt dies wohl 
darin, dass Belgien vorzugsweise das feinere Genre in dieser Fabrication vertritt. Wirk- 
liche stilisirte Muster, die als reformatorische Neuerung zu betrachten wären, sieht man 
selbst in England noch nicht, wie viel weniger in Frankreich, und die österreichischen 
Arbeiten dieser Art von Faber und die spitzennrtige Stickerei der Therese Mirani dürften 
die ersten sein. 
So wie in der Ornamantstion der Spitzen, befindet sich Belgien auch in den Ta- 
pisserisn ganz in den breiten Spuren Frankreichs. Die figürlichen Gohelins copiren die 
Teniers, wie Frankreich seine Bouchers; im Uebrigen herrscht auch in den belgischen der 
ornumentale Stil Ludwig XV. und der Ludwig XVL, welche heute in Frankreich am 
meisten Mode sind. Daher ist die gewölxnlichste Musterung, der wir in dieser Fabrication 
begegnen, ein in unsymmetrischen Recocoformen umrnhmtes Feld mit einer Landschaft, 
einer Genrescene, einer Kindergruppe oder auch einem Blumenhouquet in der Mitte, Com- 
positionen, die bekanntlich viel für Sitzmöhel verwendet werden, aber auch in der regel- 
mlissigen Wiederholung missbräuchlicher Weise Winde und selbst Fnssteppiche au be- 
decken haben. Auch an anderen Abnormitäten des Geschmackes in französischer Weise 
fehlt es nicht, wie s. B. an einem g-rossen Ebenholzknsten, dessen Füllungen und Ein- 
sätze aus Gobelins bestehen, eine Verbindung, die durchaus unangemessen ist, denn ein 
Kasten dieser Art repräsentirt die Sicherheit, ein Verschluss aber mit Tßpisserie noth- 
wendig die Unsicherheit. Unter den Fussteppichen, die als sogenannte Briisseler welt- 
hekannt sind, begegnet man aurds orientalischen Mustern, aber nicht weiter, als dies auch 
in Frankreich Mode ist, und es ist bemerkenswsrth, dass diese Teppiche, wie ihre Bei- 
schrih kundgibt, Rlr die grossen Magazine von Paris gewebt sind. Was die Papiertapeten 
betrißt, so gehen diese in der Stilisirung der Muster ebenfalls gerade so weit als es die 
heutige Mode Frankreichs verlangt, und ganz nach dem gleichen Geschmack herrschen 
auch bei ihnen in den Farben die grauen, in's Grünliche gebrochenen Töne vor. Dem 
Beispiel der anderen Linder folgend hat sieh Belgien auch auf die Imitation der Msjoliken 
eingelassen, womit es in der That nur eine früher in den Niederlanden viel geübte Fa- 
brication wieder aufnimmt. Es scheint auch, als ob diese alten niederländischen Majoliken 
zum Vorbild gedient hätten, denn gerade wie diese im Gegensatz gegen die italienischen 
matter, grauer und kraftloser in der Färbung sind, so sind es auch die modernen, welche 
Belgien ausgestellt hat. Im Uebrigen bietet die belgische Thonfsbricaüon, das Porcellan 
eingerechnet, vom kunstindustriellen Standpunkt aus nichts bemerkenswerthes. 
lbrlsetzruuy auf der Beilage.
	        
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