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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1867 / 27)

Beilage zu Nr. 27. 
Wenn man einem Zweige der belgischen Knnstindnstrie eine grössere Freiheit vom 
französischen Geschmack ansprechen will und kann. so ist das derjenige, der für die Kirche 
arbeitet, und wir beziehen diese Bemerkung in gleicher Weise auf die Goldschmiedekunst, 
die Fabrication von kirchlichen Bronzegeräthen, wie auf Weberei und Stickerei. Offenbar 
ist hier der Einduss des nahen preussischen RheinALandes, von wo die Reform der k.irch- 
lichen Kleinkunst in mittelalterlicher Richtung ausgegangen ist, mächtiger gewesen als 
der Frankreichs, welches Land bei weitem weniger sich auf diese Neuerung eingelassen 
hat. In Belgien sind die ausgestellten Kirchengefässe durchweg oder doch überwiegend 
in mittelalterlichem Stil und insbesondere gothisoh; auch sind die vergessenen mittelalter- 
lichen Verzierungsweisen, ds.s Email, das Niello, das Filigran, wie-der aufgenommen. Wir 
wollen nicht sagen, dass es überall mit Glück geschehen ist, die Formen könnten vielfach 
leichter und gefälliger sein; aber die Richtung ist mit Bestimmtheit ausgesprochen. So 
auch streben die kirchlichen Gewänder in Form und Verzierung mittelalterliche Muster 
an, nur sind hier Fehlgride geschehen. indem z. B. die Ornamente den Manuscriptarabesken 
und nicht den alten Studien und Stickereien entlehnt sind. Daher ist es gekommen. weil 
aus dem Kleinen in's Grosse übertragen, dass sie einen zu zierlichen, zu wenig ernsten 
und würdevollen Charakter tragen. Die gestickten Figuren dieser Gewänder zeigen auch 
die alte Sticktechnik wieder aufgenommen, doch fehlt noch viel, um sie in dieser Art auf 
jene Höhe zu bringen, welche die schönsten mittelalterlichen Arbeiten einnehmen. 
Ausgezeichneter in dieser Beziehung sind -die gleichen Arbeiten einer ho ll ändi- 
scheu Fabrik, die wir nicht ohne Ueberraschung in der Abtheilnng des Königreiches der 
Niederlande wahrnehmen. Es ist dies die Fabrik von Cuypers und Stolzenberg in Rure- 
monde, welche der Kirche nicht bles Stickereien liefert, sondern auch mancherlei Geräthe, 
grosse geschnitzte Altäre in gnthischem und romanischem Stile, polychromirt mit reichen 
Figuren und Ornamenten u. s. w. An letzteren Arbeiten hätten wir mancherlei auszu- 
setzen, die ügiirlichen Stickereien auf den Paramenten sind aher so vortreiilich ausgeführt, 
dass man sie unbedingt für die besten der ganzen Ausstellung ausgeben kann; an die- 
jenigen freilich, malche die Schwestern vom Kloster zum armen Kinds Jeeu in Aachen 
arbeiten, reichen sie nicht hinan. 
Im Allgemeinen folgt auch Holland als Land der europäischen Cnltur dem Ge- 
schmack Frankreichs und dies gilt insbesondere von der ganzen Ausstattung des Hauses 
nud beispielsweise nennen wir bier die Silberarbeiten, in denen noch Rococo und Naturs- 
lismus herrschen, und die geschnitzten und gepolsterten Möbel. Dennoch hat das wasser- 
umdossene Holland beständig seine Eigentliiimlichkeiten, selbst seine Marotten behauptet 
und hält wohl einige davon noch heute fest. Hieher können wir seine japanesischcn Lieb- 
habereien rechnen, welche es einst vor hundertfinfzig Jahren als Mode aufzudrängen ver- 
stand und dabei geschäßlich durch seine Seeverbindungen mit jenen ostasiatischen Län- 
dereien gutes GeschliR machte. Beute ist nicht viel mehr davon übrig geblieben, die Er- 
innerung daran ist aber noch_iu der Nachahmung jnpsnesischer Lackwaarexx, die in Hol- 
land noch blühend im Gange-zu sein scheint, besonders in der Perlmuttermosaik, lebhaft 
bewahrt. Eine andere Eigenthümlichkeit Hollands dürRe in seiner Pelzwaareufsbrication 
bestehen, die allerdings rein auf den Nutzen gerichtet erscheint, jedoch als Pelzmosaik 
dulzcll: die Verbindung verschiedenfarbigen Rsuhwerks zu künstlerischer Bedeutung sich 
er e t. 
Die ausgestellten Gegenstände zeigen, dass der Holländer die Fabrication des Pelz- 
werks auch von diesem Standpunkte aus audasst, so wie einst die germanischen und scandi- 
navischen Völker der Urzeit, die darin hohen Ruhm besessen. Es scheint aber, als ob der 
Holländer wohl ein bischen zu weit darin gehe, wenigstens macht uns diesen Eindruck 
eine grosse Fussdecke von Pelzmosaik, die in der Mitte eine selbst im Relief gehaltene 
Vase mit allerlei Blumen zeigte und in den Ecken ebenfalls allerlei Ornamente mit Blu- 
men; desgleichen ein runder Teppich, der uns den vollständigen Fellen von Füchsen, 
Katzen, Hermelinen u. s. w. zusammengesetzt war und am äusseren Rande mit den er- 
hobenen Fuchsköpfen abschloss. 
Auf die moderne Reform des Geschmacks scheint sich Holland noch wenig oder 
gar nicht eingelassen zu haben; wenn die Tapeten vorzugsweise schon stilisirte Muster 
neigen, so liegt das wohl mehr im Zufall des Ausgestellten als im Vorwiegen derartiger 
Zeichnungen. Der Holländer ist eben langsam und bedächtig und überlässt Anderen den 
Vortritt und die Mühe das Neue dnrchzukämpfen.
	        
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