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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1867 / 22)

und Velasquez, von Cervantes und Calderon in sich schliessen, aber diese Zeiten der 
hohen Kunst und der classischen Literatur, sie sind oder wurden doch alsbald die Zeiten 
industrieller Verödung und einer vollständigen europäischen Modernisirung der spanischen 
Kunstthiitigkeit. Mit dem Untergangs des granadinischen Reiches wsr auch der Untergang 
der arabischen Cultur Spaniens, der eben so gut des "Mohren letzter Seufzer" gelten 
konnte, gegeben. Unter Isabella. und Ferdinand kamen Renaissance und Inquisition, und 
wie diese die Anhänger Mohammeds verfolgte und ansrottete, so sanken auch vor der neuen 
Kunst die Paläste der Kalifen in Trümmer und Schutt. Zwar ihre erste blühende Orna- 
mentation nahm die Frührenaissance Spaniens noch in sich auf und schuf durch die Ver- 
bindung beider Kunstweisen einen neuen und originellen Stil, der sich mit der ganzen 
Bliithenpraclnt der spanisch arabischen Kunst überlnd. 
Aber bald gegen die zweite Hälfte des 1G. Jahrhunderts, als der askctische Fana- 
tismus wuchs, üel ihm diese ganze künstlerische Blüthenpracht zum Opfer und die spa- 
nische Renaissance wurde zur schwersten, iinstersten und entsagendsten von allen. An 
ihre Stelle trat dann im 17. Jahrhundert der Jesuitenstil mit dem Uebermass seiner Bizar- 
rerien, ganz wie im übrigen Europa, ohne dass Nation und Kunst einen Widerstand lei- 
steten, und selbst als die Bourbonen auf den Thron Spaniens kamen, vermochten sie 
höchstens die Barockheit zu mlissigen und dem Rococo zu nähern, nicht aber nationale 
Kunstelemente zu fördern oder wieder ins Leben zu rufen. 
So dürfen wir uns denn freilich nicht verwundern, wenn, wie uns die Ausstellun 
zeigt, die ganze industrielle Kunst Spaniens, so weit sie sich auf die eigentlichen Cultur- 
stände bezieht, vollständig modern oder französisch sich darstellt. Alles, was für die- 
vornehmen oder gebildeten Classcn gearbeitet ist, der Hausrath, die Miibellmße, die Klei- 
derstoEe, alles sind Kinder der modernen Zeit, der heutigen Mode. Selbst die Spitzen, 
schleier und Mantillen der Damen, die uns doch als originell-spanisches Costume gelten 
zeigen in ihren Verzierungen nur moderne Blumenranken, wenn diese vielleicht auch etwas 
regelmissiger, symmetrischer und minder naturalistisch gehalten sind, als es die fmnzö- 
sische Mode des Tages zu sein pflegt. Nicht einmal die Steife, worin sich das Landvolk 
Spaniens kleidet, Einzelnes ausgenommen, erscheinen in dieser Beziehung originell, was 
uns freilich nicht Wunder nimmt, wenn wir wissen, dass auch die Formen der spanischen 
Volkstrachtcn nicht in das Mittelalter zurückgehen. 
Von solcher ganz modernen Art hat Spanien eine Reihe Prachtmöbel ausgestellt, 
mit Vergoldungen und Schnitzereien, mit seidenen Ueberzügen, in welche die bekannten 
Blumenstreifen oder jene willkürlich geformten, umrahmten Felder und Bilder aus den' 
Zeiten dcs Rococo eingewebt sind, Gegenstände, vielleicht blendend für das an heutige 
Eleganz gewiilnxtc Auge, aber selbst in ihrer Art schwer in Form und Farbe. Nicht 
minder vollständig modern erscheint die grosse Porcellan- und Fayencefahrik von Pickman 
in Sevilla, die erste Spaniens, dic, in Form und Verzierung ganz auf dem Standpunkt der 
letzten Jahrzehende stehend, gar kein Interesse bieten würde, wenn sie es nicht versucht 
hätte, die bekannten auf der Alhambra gefundenen Fayencevasen maurisch-urahischen 
Ursprunges aus dem 15. Jahrhundert zu verwerthen. Sie hat diese Vasen imitirt, aber 
nur in der Form. Die Oberfläche, welche bei den Originalen dem Material gemüss glasirt 
und mit Ornamenten bemalt ist, ist auf den Copien unglasirt und mit erhabenen Verzie- 
rnngen überdeckt, welchc in Zeichnung, Modcllirung und Farbe den Wänden der Alhamhra 
entnommen sind. Es sind somit misslungene Versuche, ein Beispiel von jener gedanken- 
losen und willkürlichen Art, wie man heutzutage nur allzu häufig die Elemente älterer 
Knnstweisen zu erneuter Verwendung zu bringen sucht. 
Die Thonfahrication Spaniens zeigt allerdings auf der Ausstellung etwas Originelles, 
und das sind Wassergcfiisse der verschiedensten Art, welche, aus hellem Thon, leicht ge- 
brannt und unglnsirt, durchschwitzcn und dadurch als Kühlgefvisse dienen. Es sind Gegen- 
stände desVolksgebr-anrhs und so finden sie sich noch vielerOrten, zumal in heisseren Lün- 
dern, mit durchweg originellen Formen, die an ursprüngliche Zustände erinnern. Das ist 
auch mit diesen spanischen der Fall, nur sind die im Relief aufgelegten Verzierungen so 
charakterlos geworden, dass sie weder an arabische Kunst, noch sonst an einen anderen 
älteren Kunststil erinnern und erst in den letzteren Jahrhunderten entstanden sein können. 
Das möchte man auch von den Verzierungen der spanischen Volkstracht behaupten, 
mit Ausnahme jener wollcnen, mantel- oder shawlartigeu Decke, welche der spanische 
Landrnann in einigen Gegenden auf der Schulter zu tragen P1195; Unter den Cosmme- 
figuren, welche in der spanischen Abtheilnng aufgestellt sind, findet sich ein solches 
Prachtexemplar, bochroth mit eingewebten vielfarhigen Streifen, welches durch seine Wir- 
kung den ganzen dahinter stehenden Kasten mit modernen Seidenstolfen todtschlägt. Das- 
selbe ornamentale Princip, welches in diesen Decken obwaltet, vielfarhige, horizontale, in 
einfarbigem Grunde eingewebte Streifen, deren Farben mit geometrischen, schachhrett- 
artigen Mustern auf kleinsten Flächen durcheinander vertheilt sind, findet sich auch in
	        
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