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Es soll meine Aufgabe sein, Sie heute mit dem wissenschaftlichen
Theil dieser Industrie in seinen Umrissen wenigstens bekannt zu machen,
und in einer nächsten Stunde will ich dann zu dem Methodisehen der
Fabrication übergehen.
Ich habe dabei einen Stoff in diesen knappen Raum zu bringen,
der in unseren Schulen nur in mehreren Wochen erst erschöpft werden
kann. Sie werden daher meine Entschuldigung gelten lassen, dasslich
nur bei dem Wichtigsten verweile, und eine Menge, besonders tech-
nischen Details eben nur flüchtig berühre, was sonst wohl eine ausführ-
liche Darlegung verdient.
Beginnen wir damit, daslMaterial verstehen zu lernen, mit dem wir
zu arbeiten haben, den Thon.
Ueber die Entstehung des Thons müssen wir die Geologen zu Rathe
ziehen. Sie belehren uns, dass er ein Zersetzungsproduct des, oder der
Feldspathe ist, und zwar jener Art von Zersetzung, die man Verwitterung
nennt. Das Wesen der Verwitterung beruht auf einer sehr andauernden
Wirkung der Kohlensäure und des Wassers, der Kohlensäure, die die
Luft als Gemengtheil enthält, und jener, die fast in jedem Wasser aufge-
löst enthalten ist. Die Feldspathe, die dieser zerstörenden Wirkung
unterliegen, sind wissenschaftlich ausgedrückt Doppelsilicate der Alkalien
und der Thonerde, (l. h. Verbindungen von kieselsaurem Alkali (Kali,
Natron, Lithion) und kieselsaurer Thonerde (oder kicselsaurern Alumi-
niumoxyd).
In die Elemente aufgelöst, erscheinen demnach die Feldspathe aus
einem Alkalimetall (K, Na, Li) aus dem Metall Aluminium, aus 'Silicium
oder Kiesel, und aus Sauerstoff, vorausgesetzt, dass sie ganz rein sind,
d. h. keine Nebenbestandtheile enthalten. Zu den letzteren gehören
kleine Mengen anderer alkalischer Erden (Kalk, Magnesia) und anderer
Metalloxyde, vornehmlich Eisenoxyd.
Die Feldspathe gehören zu jener Classe von Silicaten oder Kiesel-
säureverbindungen, die aus Lösungen, also auf sogenanntem nassen Wege
entstanden, krystallisirt sind. Wir können sie zwar künstlich nicht nach-
bilden, allein es gibt schlagende Gründe, sie nicht, wie es lange Zeit ge-
schah, als platonische, durch Schmelzung entstandene Mineralien zu
betrachten.
Ihre Bildung geschieht ohne Zweifel in tiefern Erdschichten, und
ist unserer directen Beobachtung unzugänglich.
In diesen überhaupt ist die Herrschaft der Kieselsäure die vorwie-
gende. In den oberen Schichten und auf der Oberiiäche der Erde da-
gegen herrscht die Kohlensäure, und sie zerstört oben, was die Kiesel-
säure unten gebildet hatte. Silicatbildung ist da, wo freie Kohlensäure
vorhanden ist, nicht möglich.