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Besonders lehrreich ist eine Sammlung von beiläufig 15.000 Initialen
vom 15.-18. Jahrhundert aus deutschen, französischen, italienischen,
niederländischen etc. Druckwerken, welche wohl auch kaum ein zweites
Mal zu finden sein dürfte. _
Was diesen Vorlagen einen besonderen Werth verleiht, ist, dass sie
aus Zeiten herrühren, in welchen Kunst und Handwerk noch nicht wie
heute streng geschieden waren, dass sie somit von Leuten componirt
wurden, die dem Handwerke nicht fremd gegenüber standen, sondern
mit demselben aufs innigste vertraut waren, was ihren Ccmpositionen die
Möglichkeit d'or Ausführung sichert.
Aber nicht blos der Künstler und Industrielle wird aus der er-
wähnten Sammlung Nutzen ziehen, auch für den Kunst- und Cnltnrhisto-
riker ist dieselbe von Wichtigkeit - lernt er doch aus ihr die Eigen-
thümlichkeiten und Wandlungen der Stylarten und des Zeitgeistes bis in
die kleinsten Details kennen, und oftmals klarer wie aus den Werken der
grossen Kunst, denn in diesen Compositionen lassen die Künstler unbeirrt
von den Einflüssen und Anforderungen der Besteller frei ihre Phantasie
walten und folgen nur ihrem irmeren Schadensdrange.
Nicht minder werden die Kupferstichsammler und Bibliophilen durch
den Reichthum der Sammlung an den seltensten Blättern und Werken
befriedigt werden und auch auf dem Gebiete der Kupferstichkunde wird
manche Erweiterung des Wissens aus -der Sammlung des Museums zu.
schöpfen sein, indem manches Monogramm einem Künstlernamen wird
weichen müssen und die noch in neuester Zeit selbst von Fachgelehrten
bezweifelte Existenz von Werken unwiderleglich dargethan wird.
Ueber diese für den Künstler und Industriellen, für den Kunst- und
Culturhistoriker, für Kupfersticlisarnmler und Bibliophilen sowie für die
Wissenschaft der Kupferstichkunde höchst wichtige Sammlung wurde von
dem österr. Museum bei Gelegenheit der Schlusssteinlegung im neuen
Museumsgebände ein illustrirter Katalog veröffentlicht, welcher den Custos
dieser Anstalt, Franz Schestag, zum Verfasser hat. Dieser Katalog
ordnet das ganze vorhandene reiche Material höchst übersichtlich nach
Gegenständen in 13 Hauptgruppen, deren jede wieder in mehrere Unter-
abiheilungen zerfällt. Diese Unterabtbeilungen sind nach Schulen, der
deutschen, französischen, niederländischen und italienischen, und diese
nach Jahrhunderten geordnet, in welclf letzteren die Meister in alphabe-
tischer Reihenfolge aufgeführt sind. Kurze biographische Notizen, die
jedem Künstlernamen beigegeben sind, sowie ein alphabetisches Künstler-
verzeichniss und Sachregister erhöhen wesentlich die Brauchbarkeit des
Werkes.
Eine werthvclle Beigabe sind die Abbildungen, welche dem Publicum
die Reichhaltigkeit und Mannigfaltigkeit der Sammlung an charakteristi-
schen Beispielen vor Augen führen. Es galt die Originale mit grösster