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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VI (1870 / 61)

Palastes." Aehnliches kömmt mehrfach in den heiligen Büchern vor. 
„Ein tugendhafter Kaiser nimmt den Charakter der Menschen als das 
Feld seines Anbaues und die vier Thiere zu seinen Vertrauten" etc. 
(Li-ki. Cap. VIII.) 
Zwar nicht zu dieser aristokratischen Familie der Mythengeschöpfe 
gehörig, aber trotzdem eine der häufigsten Erscheinungen und allerwegen 
zu finden, so gut vor den Thoren der Tempel in riesiger Grösse wie 
als knopiihnliche Handhabe auf den Deckeln der Vasen, ist das sicher 
allen meinen Lesern wohlbekannte Unthier mit löwenartigem Kopfe 
und Mähne, breitem, grinsenden, mit gewaltigen Zähnen bewaffneten: 
Rachen, mächtigen Tatzen und einem meist in einem stylisirten Haar- 
büschel endigenden Schweife: der sogenannte „Hund des F0". Er wird 
gewöhnlich in Europa der chinesische Löwe genannt; der Löwe aber ist 
ein in China nur wenig gekanntes Thier, und es ist zweifelhaft, ob 
ursprünglich der Typus des Löwen dem Fohunde zu Grunde gelegen 
hat. Hingegen erscheint er überall als Wächter und Hüter der unter 
seinen Schutz gestellten Gegenstände, eine Bedeutung, die namentlich 
sein japanesischer Name Koma-iuu, d. h. Wachhund, völlig klar werden 
lässt. Zuweilen ist er auch in kleinen Sculpturwerken u. dgl. von einem 
oder einigen seiner Jungen begleitet, mit denen er nach Hundeart spielt; 
überhaupt scheint er trotz seines grimmigen Aussehens gemüthlich humo- 
ristischen Anwandlungen nicht unzugänglich zu sein. Sonst lässt sich 
über ihn nicht viel sagen, als dass er als Reitthier einer Göttin von 
etwas dunkler Berufssphäre (Ti-tsaü-waü?) fungirt, auch einen runden 
oder ballenartigen Gegenstand unter seiner rechten Tatze hält, den ich 
aber zu erklären ausser Stande bin. 
S0 phantastisch, unwahrscheinlich und unorganisch die Gestalten 
ihrer Fabelwesen sind, mit ebensoviel Wahrheit, feiner Naturbeobachtung 
und Naivetät der Auffassung wissen die chinesischen und namentlich auch 
japanesischen Zeichner die Formen und charakteristischen Bewegungen 
wirklich lebender Thiere und Menschen oft mit wenigen geistreiehen 
Strichen wiederzugeben. Besonders Vögel, wie Hühner, Rebhühner, Fa- 
sanen und Pfauen, sind häufig mit einer überraschenden und reizenden 
Lebendigkeit hingewoxfen, und in Tusche oder Holzschnitt ausgeführt er- 
innern solche Blätter mit ihren festen, empfundenen Strichen an die 
Handzeichnungen niederländischer Meister des siebzehnten Jahrhunderts. 
Selbst in so widerstrebenden Materialien, wie im Zellen-Email, wo das 
genaue Biegen der Metallfälden so viel Schwierigkeiten verursacht, sobald 
an die Schönheit der Centour irgend höhere Anforderungen gestellt wer- 
den, gelingt ihnen immer noch eine Klarheit, Bestimmtheit und Eleganz 
des Umrisses, die erstaunlich ist. Freilich müsste man diesen Naturalis- 
mus gerade hier wiederum nicht völlig an seinem Platze finden, wenn 
man sich berufen fühlte, vom Standpunkte nach Gesetzen der Logik ent-
	        
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